Middle Class Rut
No Name No Color
Text: Stefan Layh
Denn was sich unter dem Titel “No Name No Color” in Anonymität hüllt, ist in doppelter Hinsicht ein Blick in den Rückspiegel. Einerseits ist das Debütalbum der Kalifornier Middle Class Rut ein Destillat ihres vorangegangenen EP-Hattricks aus den Jahren 2007 bis 2009, lediglich ergänzt um vereinzelte neue Songs. Andererseits lärmen Sean Stockham und Zack Lopez hier mit einer Haltung und Hingabe, dass immer wieder das satte Echo der 90er Jahre in der Luft liegt. “No Name No Color” klingt wie eine kapitale Kollision von grobkörnigem Rock, Alternative Metal, Grunge und prisenweise Punk. Man fühlt sich erinnert an die Hollywood-Hardrocker Janes Addiction während ihrer ersten und nachhaltigsten Schaffensphase um 1990. Kaum zufällig trifft einer der Middle-Class-Rut-Sänger reihenweise ähnliche Töne wie damals Perry Farrell. Ganz anders die zweite Stimme, die etwa zum Scheppersound von One “Debt Away” heisere Parolen in die Länge zieht wie einst die Beastie Boys und dabei permanent zu kippen droht. Weil aller guten Erinnerungen drei sind, darf für Songs wie das bullige “Busy Bein Born” oder das halbharmonische “Are You On Your Way” auch Richard Patricks Zorn-Katalysator namens Filter als treffliche Referenz rausgeholt werden. Und zwar jene überzeugende Filter-Frühversion zwischen den Trefferalben “Short Bus” und “Title Of Record”, zwischen der erdrückenden Energie von 1995 und den herangereiften Hits von 1999.
“No Name No Color” bebt über weite Strecken vor Rage und repetitiven Riffs, ist massig musiziert, sparsam produziert und klingt häufig frustriert. Wie der Refrain im ungewöhnlich handzahmen New Low, dem gar nicht heimlichen Hit dieses Albums: “Ive been right / Ive been left / Ive been wrong / Ive been left behind / Ive been up, but mostly down”, purzeln die Worte über einen melancholischen und äußerst griffigen Melodiebogen, ehe ein fiependes Tom-Morello-Soundalike-Solo aus Lopez Gitarre kriecht. Middle Class Rut huldigen den zeitlosen Helden von vorgestern und spielen eigene Songs von gestern. Das funktioniert auch heute, weil die Musik dieser Typen, deren Gesichtshälften auf dem Cover unzertrennlich aneinander getackert wurden, aus einem Herz und aus einer Hand zu kommen scheint. Und weil Stockham und Lopez durchschaut haben, wie sich die Magie des Moments einfangen lässt. Vieles auf “No Name No Color” wirkt schnappschussartig, unprätentiös und wie nebenbei aufgenommen. Ein leicht ruckelndes Daumenkino zum Hören und Fühlen, bei dem der Plot passt.
Anspieltipps Busy Bein Born | New Low | Lifelong Dayshift