Endlich regnet es wieder. The Cure veröffentlichen das Rachealbum. Nach der in England kaum vorhandenen Promo zur Single-Compilation “Galore” schlagen sie nun zurück mit einem Album ohne Single. Eben so, wie sie jeder Hardcore-Fan liebt. Es gibt keine pathetischen Anwandlungen oder infantile Reime, keine Ausflüge in Territorien, die es zu erobern gilt, damit man sich mehr schlecht als recht verändert hat. Neun ehrliche, schwermütige Songs sind entstanden, mit Texten, deren Inhalte ausschließlich das widerspiegeln, was The Cure so wertvoll machen: Robert Smith nämlich. Smith hat in der Manier des ’89er Albums “Disintegration” den Diktator raushängen lassen, das Album letztes Jahr fast im Alleingang geschrieben und sich dabei ganz seinen Lieblingsemotionen gewidmet: Schmerz, Abschied, Leere, Alter und Tod. Die Songs auf “Bloodflowers” sind durchschnittlich sechs Minuten lang. Das kürzeste Stück erinnert an eine Unplugged-Session und heißt: “There Is No If…”. Der Opener “Out Of This World” klingt eindeutig wie “Plainsong”. Gott sei Dank tut er das, denn man weiß spätestens jetzt, was man zu erwarten hat. In “39” beschäftigt sich Smith mit seinem Alter und stellt fest, dass das Feuer aus ist. Von wegen! “Watching Me Fall” ist ein elfminütiges Monstrum, bei dem sich Smith die Seele aus dem Leib schreit. Also nichts Neues, dennoch essentiell für den Träumer, der besonders den transzendentalen Sound von “The Loudest Sound” lieben wird, eine Mischung aus “The Funeral Party” und “Pictures Of You”. Wer genau hinhört, wird dann auch noch eine Neuerung entdecken: Smith hat seine Abscheu gegenüber Gitarrensoli verabschiedet. Schade, dass es kein Doppelalbum geworden ist. Dieses Album ist wie ein Strand, weder Meer noch Festland, aber genau so maßlos melancholisch und unfassbar schön.
11/12 Jörg Meier
Ich habe The Cure immer gemocht und werde sie wahrscheinlich auch immer mögen. Diese grundsätzliche Sympathie ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass ich einige ihrer Platten absolut nicht gebraucht hätte. Nach dem schwungvollen “Wild Mood Swings”, das die Band auf ihre damals schon alten Tage überraschend experimentierfreudig zeigte, kommt mit “Bloodflowers” jetzt wieder eines dieser Werke, dass ich garantiert nie hören werde. Klar, es sind unverwechselbar The Cure, man erkennt es an jedem Akkord, der Phrasierung von Robert Smith, an der Stimmung, die die Platte ausströmt. Aber es fließt so behäbig dahin, in seinem getragenen Tempo, wirkt so unspektakulär nachdenklich, dass es einfach ziemlich überflüssig ist. Wäre es wieder richtig abgrundtief melancholisch, würde es wenigstens mal nerven, alles wäre besser gewesen als diese auf neun Songs ausgewalzte, gepflegte Langeweile. Wenn Smith selber sagt, dass ihm andere Dinge mittlerweile wichtiger sind, als die Musik, kann ich nur sagen, dass man das “Bloodflowers” auch anhört, was sicher nicht im Sinne des Erfinders war. Dass auch Exzentriker irgendwann mal erwachsen werden müssen, geht schon in Ordnung, aber eventuell gibt es dann auch sinnvollere Betätigungsfelder als Platten veröffentlichen. Vielleicht kommt in ein, zwei Jahren wieder eine Cure-Platte mit ganz anderer Facette. Wenn nicht, sollte Smith ernsthaft übers Kinderkriegen oder Rosenzüchten nachdenken.
5/12
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