Adolar
Zu den Takten des Programms
Text: Jan Schwarzkamp
Sicher, die Sprachbarriere ist schwierig. Deutsch klingt eben oft steif. Die Sprache des RocknRoll klingt anders. Umso schöner ist es, wenn Bands wie Adolar es schaffen, dem Deutschen seine Sperrigkeit zu nehmen. Auch wenn die Zeilen hinten und vorne mal überhängen, gequetscht sind oder sich nicht mal reimen. Es passt, und Sänger und Bassist Tom Mischok bringt es stimmig rüber. Außerdem ist Adolar mit Zu den Takten des Programms ein Quantensprung gelungen. Okay, ist vielleicht etwas übertrieben. Das Debütalbum Schwörende Seen, ihr Schicksalsjahre! war schließlich schon ziemlich beachtlich. Nur haben Adolar in den anderthalb Jahren, die seitdem vergangen sind, erstaunlich dazugelernt. Selten, vielleicht noch nie überzeugte deutschsprachiger Alternative-Rock mit einer derartigen Spielfreude, mit Rasanz, zahllosen guten Ideen und einer alles abrundenden dicken Produktion. Aus Hass ist das Album geboren, Mischok wurde vorher von seiner Freundin verlassen. Da entsteht Trauer. Aus Trauer wird Wut. Aus Wut wird Hass. Und so rechnet er in seinen Texten ab, zumindest im Großteil der zehn Songs. Kein Konzept, aber ein roter Faden. “Tanzenkotzen”, die erste, schwindelig machende Laut/Leise-Steigerung/Ausbruch-Single fasst es gut zusammen. Wenn dann Streicher dazu kommen und Mischok plötzlich den Text so herausbrüllt, dass der Begriff Screamo endlich wieder einen Sinn hat, dann darf man schon mal mit den Ohren schlackern und Beifall spenden. Was überhaupt die Agilität angeht: Die progressiv-poppige und jederzeit rockig-ballernde Herangehensweise an ihre Arrangements katapultiert Adolar in eine Liga mit den cleveren Biffy Clyro und anderen Bands mit Faible für mathematische Eingängigkeit, etwa Dananananaykroyd, Forward Russia oder Trip Fontaine. All die Energie, die Adolar mit galligem Humor in das grandiose Zum Geburtstag alles Erdenkliche stecken, und mit der sie sich immer weiter in das Stück reinsteigern bis zum Orchester-Stakkato, ist verdammt noch mal mitreißend, ja überwältigend. Okay, die musikalisch untermalte, von Produzent Tim Tautorat vorgetragene Heinz-Strunk-mäßige Kurzgeschichte Kleinlichkeiten im ersten Stock stoppt den Flow. Als skurrile Atempause hat das Stück aber seine Berechtigung. Schließlich macht das übersteuerte “Leidzins To Kill” wenig später Trommel- und Resonanzfelle kaputt, und das abschließende Wein ist meine Jacke ist ein waschechtes Finale von acht Minuten. Um es in der Sprache des RocknRoll zu sagen: Der Takt dieses Programms ist der Shit.
weitere Platten
Die Kälte der neuen Biederkeit
VÖ: 06.09.2013
Tanzenkotzen EP
VÖ: 19.08.2011
Schwörende Seen, ihr Schicksalsjahre
VÖ: 05.03.2010
Planet Rapidia
VÖ: 27.02.2009