So muss es sich anhören, wenn der Organist der Washington Capitals nach dem Saisonfinale zur Afterparty in die Katakomben der Eishalle einlädt: “Romance” startet den Tanz, sofort springt das Keyboard auf und ab, bevor es vom Schlagzeug eingefangen wird. Die Gitarre bricht nach kurzer Zeit aus und rennt durch die Gänge, dann folgt der unwiderstehliche, dreistimmige Refrain, der sich dem Pop voll und ganz hingibt, ohne dabei rot zu werden. First you wreck me/ Then resurrect me. Gleich mit dem ersten Song hauchen Carrie Brownstein, Janet Weiss (beide ehemals Sleater-Kinney), Mary Timony (Helium) und Rebecca Cole (The Minders) der Szene neues Leben ein – und behaupten bescheiden: The sound is what found us. Dabei sind Wild Flag nicht nur eine frische Dosis Riot-Grrrl-Punkrock, um die zurückgelassenen Fans der Lieblingsbands von damals am Leben zu halten. Die neue Band die logische Konsequenz des Alterns oder, in diesem Fall, der würdevollen Verweigerung gegen das Altern. Wir sind das, was dabei rumkommt, wenn man einen Hamburger mit einem Hot Dog kreuzt, sagen Wild Flag mit einem breiten Grinsen im Gesicht und liegen damit gar nicht so verkehrt. Im Grunde klingt die Band genau so, wie man sich den Melodie-verliebten Nachwuchs der Patchwork-Familie Kinney-Minders-Helium vorstellen würde Wild Flag spielen poppige Indierocksongs mit Dreck unter den Fingernägeln, die den Verstärker nur so weit aufdrehen, dass den eigenwilligen und immer etwas entrückt gesungenen Vocals von Brownstein der nötige Platz bleibt. An einige Stellen wünscht man sich dennoch die rotzfrechen Ausraster von vor 15 Jahren, die auf dem Debüt nie die 40-Grad-Fieber-Marke erreichen, aber trotzdem nur selten vorauszusehen sind. Wild Flag spielen heute geordneter, aber weiter ohne feste Regeln. Zwingende politische Botschaften näht sich die Band nicht auf die Flagge, hier steht einzig und allein die Musik im Vordergrund. “Glass Tambourine” übt sich als epischer Episoden-Rocksong mit Soundtrack-Qualitäten und einem Kirchenchor im Mittelteil. “Short Version” lässt das Gitarrensolo nicht neu aufleben, Brownstein hat es sowieso immer dabei und nie abgelegt. Sie spielt sich auf der Höhe des Songs in luftigem Gegniedel fest und zieht die Sache bis zum Ende durch. Weil sie das kann. Und darf. In “Racehorse” führt das sogar zu einer Jam-Ekstase, die das Stück fast zerschießt, bevor Brownstein den Song wieder an sich reißt und in ein jazzig-rockendes Finale lenkt. We love the sound, sagen Wild Flag. Wir ja auch.