Wer keinen Ärger mit “Undun” will, kann es deshalb als Fortsetzung einer Entwicklung hören, die The Roots in den letzten zehn Jahren und seit ihrem aggressiven Prog-Rap-Rundumschlag “Phrenology” durchlaufen: Die Alben und die Tracks darauf werden kürzer, die Beats verlaufen in kurvenärmeren Formen, sogar die Raps sind übersichtlicher geworden, ohne jetzt gleich bei “lick me like a lollipop” rauszukommen. Klammert man das verwirrende Ende von “Undun” aus, zu dem wir gleich noch kommen, bleibt eine halbstündige Quasi-EP mit prägnanten, klavierlastigen Beats, gefühlvoll gesungenen Hooklines und toller Vintage-Soul-Produktion übrig, auf der sich auch Schlagzeuger und Bandleader Amir “?uestlove” Thompson kaum Mätzchen erlaubt. Wer keinen Ärger mit “Undun” will, bringt sich aber auch um den halben Spaß damit: Hinter der ausgedachten Geschichte von Redford Stephens, der im New York der 90er eher zufällig zum Hustler wird, stehen persönliche und ungewöhnlich unversöhnliche Beobachtungen von Roots-MC Black Thought und einigen Gast-Rappern, die Stephens’ Leben in unverknüpften Episoden vor allem auf ihren eigenen Werdegang beziehen. Biografische Informationen und sonstige Hintergründe werden von einer kostenlosen, ausführlichen Smartphone-App im Dokumentarfilm-Stil geliefert, die bis zum Redaktionsschluss allerdings nur im amerikanischen Itunes-Store erhältlich war. Hinzu kommt eine ambitionierte Erzählstruktur: “Undun” beginnt mit dem Tod des Helden und einem fiependen EKG, bevor Stephens in “Sleep” aus einer Zwischenwelt von Leben und Tod auf seine 24 Jahre zurückblickt. Danach löst sich die Geschichte zusehends von ihm, nimmt sich mit “Tip The Scale” der bitteren Allgemeingültigkeit ihres Falls an und endet in einer vierteiligen, fünfeinhalb Minuten langen Mini-Instrumental-Suite, die Zeugung und Geburt von Stephens mit Streicherquartett, Terrorklavier und ausgeflipptem Schlagzeug als Moderne Klassik nachempfindet. Der Ausgang von “Undun” ist dabei nicht nur rätselhaft und erschütternd schön, sondern sogar ein bisschen lustig: Das Album-Album, das sich mit seinem sorgfältig durchgeplanten Aufbau nicht zuletzt gegen die Mixtape- und Selbstbedienungs-Kultur im zeitgenössischen HipHop stellt, benutzt einen alten Mixtape-Trick, indem es das Sufjan Stevens-Stück “Redford (For Yia-Yia & Pappou)” als unveränderten Aufhänger für seine Abschluss-Suite übernimmt.
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