So braucht der junge Norweger auf seinem Debüt auch die ganz großen Referenzen kaum zu scheuen. “Chiaroscuro” vereint die sinistre Kindlichkeit des mittleren Sufjan Stevens mit nebligen Soundwänden im Geiste von Sigur Rós, und doch bleiben die sieben Stücke greifbar und leidenschaftlich. Eine erstaunliche Leistung, denn es wäre wahrlich nicht das erste Mal gewesen, dass große Ambitionen, Songs jenseits der sieben Minuten und üppige Streicher in einem schwer nachvollziehbaren, kopflastigen Album enden. Doch selbst dem Abschluss-Stück “Teppet Faller” gelingt es, über die volle Spielzeit seiner fast zehn Minuten zu fesseln, obwohl er völlig auf die sonst im Sinne der Spannung häufig eingesetzten Gesangs-Duette verzichtet. In diesen bedient Stray gern die tieferen Register und überlässt es seiner Kollegin, den Kontrapunkt in der Höhe auszuloten. Eine Entscheidung, die sich als ein Geniestreich unter vielen herausstellt, da sie manchen Hörer in Erwartung des zuletzt leidlich überstrapazierten Falsetts auf dem falschen Fuß erwischen dürfte. Auch wenn sich die Musik oft locker tänzelnd gibt, so lauert hinter der luftigen Fassade immer auch das Potenzial zu einem dezenten aber entschiedenen Lärm-Hinterhalt. Den Raum dafür gibt es naturgemäß vor allem in den längeren Stücken, mit denen Stray seine Musik offen in Richtung älterer Postrock-Schule schielen lässt. Leichtigkeit und Schwere derart spielerisch zu verbinden – das ist hervorragende Unterhaltung auf hohem musikalischem Niveau, die es nur selten von einem so jungen Künstler zu hören gibt.
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Dear Bigotry
VÖ: 17.02.2017