Anti-Flag
The General Strike
Text: Jan Schwarzkamp / Sarah Gulinski
Die Welt wird nicht besser, es gibt nach wie vor genug, gegen das man in den Kampf ziehen kann. Anti-Flag liefern dafür zum neunten Mal den passenden Soundtrack. Gut, wenn nicht sogar überraschend, dass sie auf “The General Strike” dafür einerseits ihre richtig räudige Seite wiederentdeckt haben, andererseits an viele tolle Wegbereiter und Vorfahren erinnern. Mit einem 22-Sekunden-Stück loszulegen, ist direkt die richtige Ansage. Danach erinnert “The Neoliberal Anthem” an die Chicagoer Kult-Punkband Naked Raygun, und das vertonte Gedicht des zum Tode verurteilten Arbeiterklasse-Helden Joe Hill in 1915 ist ein toller Ohrwurm mit einer Melodie, die Lifetime nicht besser hinbekämen. Okay, das frontale “Oh oh oh”-Geheule in “This Is The New Sound” ist nicht subtil, aber mit Subtilität verschafft man sich eben auch kein Gehör. Und darum geht es Anti-Flag ja immerzu: Politik, Meinung, das Aufzeigen von Missständen. Es geht um Opportunisten, Neoliberale und die Occupy-Bewegung. Verpackt in derart gut sitzende, um nicht zu sagen knappe Kostüme, macht sich die problematische Themenlage ausgezeichnet: Mit einem Molotow-Cocktail voll mobilisierender Melodien im Ohr zieht man eben viel lieber in den Kampf. So gut haben Anti-Flag das seit “The Terror State” vor achteinhalb Jahren nicht mehr hinbekommen.
8/12 Jan Schwarzkamp
Keine Überraschung: Auch auf ihrem achten Album covern sich Anti-Flag in erster Linie selbst. Die Band aus Pittsburgh/Pennsylvania stagniert also, genau wie die Welt, die Anti-Flag noch immer so leidenschaftlich verbessern wollen. Wieder singen sie gegen den Kapitalismus, und natürlich bekennen sich zur Occupy-Bewegung – es kommt einem beim Hören aber schon auch die Frage, ob das alles nicht sogar für Anti-Flag selbst langsam langweilig werden muss. “The General Strike” ist eine Aneinanderreihung von Mitgröl-Parolen, ein Song klingt wie der nächste, lediglich an Länge haben die Stücke eingebüßt, so dass 13 Songs jetzt in 30 Minuten passen. Nun soll das niemand falsch verstehen: Wenn eins immer gut und wichtig ist, dann den Mund aufzumachen und Ungerechtigkeiten nicht einfach Ungerechtigkeiten sein zu lassen. Doch Anti-Flag bräuchten längst Weiterentwicklung, auch um ihrer Message willen, die sonst bald niemand mehr hören wollen wird – bis auf ein paar Versprengte natürlich, die die Band immer wegen ihrer Beständigkeit hören werden und folglich auch von der “What you see is what you get”-Mentalität ihres neuen Albums nicht enttäuscht werden können. Ebenso gefallen wird ihnen die Bodenständigkeit, mit der auch “The General Strike” wieder im Kreis alter Freunde aufgenommen wurde und nun promotet wird. So viel do it yourself wird die Welt nicht retten, macht Anti-Flag aber immerhin sympathisch.
5/12 Sarah Gulinski
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