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    Cloud Nothings
    Attack On Memory

    VÖ: 10.02.2012 | Label: Wichita
    Text: Daniel Gerhardt | Erschienen in: VISIONS Nr. 227
    Platte des Monats
    Cloud Nothings - Attack On Memory

    90s-Revial jetzt oder nie: Cloud Nothings ist mit Hilfe des Mannes, dem alles egal ist, eine zeitungemäße Rockplatte mit Grunge-Geist gelungen. “Attack On Memory” ist dabei mehr “In Utero” als “Nevermind” – und richtet sich wie das letzte Nirvana-Album auch gegen die eigenen Vorgänger.

    In Musikzeitungen wird zu viel über Produzenten geschrieben, niemand weiß, was sie wirklich tun, Rick Rubin liegt angeblich nur auf dem Sofa rum, und Ross Robinson ist so lange gemein zu seinen Bands, bis sie New Metal machen. Gut für uns also, dass Steve Albini kein Produzent ist, sondern Soundingenieur, so kann man ohne schlechtes Gewissen schreiben, dass er den Großteil der “Attack On Memory”-Sessions mit Online-Scrabble verplempert hat und trotzdem das Beste war, was Cloud Nothings passieren konnte. Die Band aus Cleveland/Ohio hat 2010 und 2011 jeweils ein Indiepop-Album veröffentlicht, beide wurden vom heute 20-jährigen Frontmann Dylan Baldi weitgehend alleine eingespielt. Cloud Nothings hatten danach zwei Optionen: Sie hätten noch ein paar Jahre so weitergehen können ohne irgendjemandem zu schaden oder viel zu bringen, sich dann auflösen und Baldi eine Abendschule besuchen können. Oder sie hätten “Attack On Memory” machen können. Cloud Nothings versuchen damit die Auslöschung ihrer eigenen Vergangenheit, und selten zuvor haben die Absichten einer Band so gut zum Sound ihres Aufnahmeleiters gepasst.

    Vergessen, Gefühlskälte und Ausweglosigkeit ziehen sich als Leitmotive durch “Attack On Memory”, es ist ein deprimierendes Album ohne Entspannung oder Jar-Jar-Binks-Momente. Baldi überspringt mehrere Gewichtsklassen und Lungenembolie-Stadien, er wird vom lieben Brillennerd zum Giftzwerg und liefert als kreischender, sehnender, kampfbereiter Sänger eine von nicht sehr vielen glaubhaften Teenage-Angst-Vorstellungen, seit sich Kurt Cobain vor 18 Jahren erschossen hat. Seine Band ist zum ersten Mal wirklich eine, völlig humor- und fast völlig schnörkellos, mit jeder neuen Strophe ein bisschen enger beisammen in den Gitarre-Bass-und-Schlagzeug-Kreisen, die sie um die Songs zieht. Und der Sound ist eben Albini, stählern, aber nicht Metal, knochig ohne Fleisch dran, stur bis in die Verbohrtheit.

    Weil Cloud Nothings nur noch im Evil-Strokes-Lied “Fall In” wiederzuerkennen sind, wird “Attack On Memory” wahrscheinlich zur Gesichtsrevision führen: Die ersten beiden, in der Tat vergleichsweise ungefährlichen Cloud-Nothings-Platten wird man schlechter machen als sie eigentlich sind, aber das ist okay, denn es wird schwer sein, ihren Nachfolger im Gegenzug größer zu reden, als er ist. “No Future/No Past” (vier Zeilen, achtmal wiederholt) näselt sich nach passiv-aggressivem Auftakt zu echter Gewaltbereitschaft hoch, “No Sentiment” erlebt nach grimmiger Mission-Statement-Strophe einen ähnlichen Befreiungsrefrain, und nur die Anti-Antriebs-Anti-Hymne “Stay Useless” vergräbt das Kriegsbeil kurz neben dem eigenen Kopf im Sand. Solche Songs geben Cloud Nothings eine neue Richtung, “Wasted Days” aber allein ist die Ankunft: zügig und antreibend am Anfang, konflikterprobt im langen Mittelteil, der einen unverwechselbar unbeugsamen Shellac-Bass neben die Soloversuche der Leadgitarre stellt, und von sich selbst überwältigt am Schluss. “I thought I would be more than this”, brüllt Baldi durch den Soundvorhang, es ist, als wäre wieder 1993 und nie was gewesen.

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