Das neue Best-Coast-Album ist wie ein Zweitwagen für Leute ohne Führerschein: unnütz und toll.
Gereift in Klang und Perspektive, sagt die Plattenfirma. Das ist gelogen, macht aber nichts. Leave Home und Rocket to Russia vergleicht man ja auch nicht miteinander. Best Coast sind in bestimmten Kreisen (Seidenschneider und Korinthenkacker allesamt) reif für den Backlash, aber es wäre eine Konzessionsentscheidung auf dem Altar des kopflosen Huhns. “The Only Place” kann man ohne Probleme fünfmal pro Tag hören (mit Autoradio sogar noch öfter), und damit wesentlich regelmäßiger als jedes Mars-Volta-Album. Die Texte hat man nach zwei Umdrehungen auch drauf, und danach ist Beth Cosentinos Stimme der Schlüssel zum Genuss. Distanziert, gelangweilt und hochprofessionell? Oder doch intensiv, intim und naiv? Tatsächlich spielt sich das gesamte Album genau auf der Grenze ab, absichtlich natürlich, ein Kunststück, das in den frühen 60ern jeder drauf hatte und jetzt kein Arsch mehr. Und noch einer von Cosentinos Tricks: sich selber zur Backgroundsängerin machen. Die Melodien auf “The Only Place” kann man in jeder Stimmlage mitsingen, lauthals und wenn nötig kopfüber. Um diese Platte zu begreifen, sollte man genau das tun, denn danach gehört sie dir wie eine entlaufene Katze. Das war beim Debüt schon so, das ist hier zum Glück nicht anders. Wenn es nicht vorgekaut ist, ist Bubblegum nämlich cool.
9/12 Markus Hockenbrink
Beth Cosentino ist noch nicht mal 30 Jahre alt, aber mit ihrem zweiten Album schon reif fürs Schlagerzelt.
Machen Sie das Experiment mit: Legen Sie “The Only Place” ein und skippen sie die ersten vier Tracks. Lehnen sie sich zu “No One Like You” zurück und schließen sie die Augen. Und – können Sie die debil grinsenden Rentner und Rentnerinnen sehen, wie sie Arm in Arm auf den Bierbänken sitzen und fröhlich schunkeln? Können Sie die WDR-4-Wehmut hören, die nicht nur hier, sondern aus fast jedem der elf Song tropft? Gut, dann skippen sie drei Tracks zurück. Stellen Sie sich vor, wie ein sechsjähriges Mädchen zu “Why I Cry” im Pferdchen-Schritt über die mit Kreide bemalte Spielstraße hüpft, während ihre Zahnspange die Sonne reflektiert. You dont know why I cry/ You dont know why I cry/ You dont know why I cry/ You dont know why I cry – und jetzt alle im Zeitlupen-Hopserlauf. Experiment abgeschlossen. Was auch immer Sie gesehen haben, es macht die netten Songs der netten, aber gar nicht mehr so niedlichen Cosentino, die in der gemeinsamen Band mit Bassist Bobb Bruno eindeutig die Hauptrolle spielt, nicht besser. Eigentlich alle Songs drehen sich um Cosentinos bittersüßen Herzschmerz, den sie in ihren ziemlich egalen Songs zwischen Indiefolk und countryeskem Songwriter-Schlager verarbeitet. So wird selbst schwere Melancholie von gleichgültigem Gedudel geschluckt. Schade.
5/12 Matthias Möde
weitere Platten
Always Tomorrow
VÖ: 21.02.2020
Best Kids
VÖ: 22.06.2018
California Nights
VÖ: 01.05.2015
Crazy For You
VÖ: 06.10.2010