Scott Kelly
The Forgiven Ghost In Me
Text: Oliver Uschmann
Das Presseblatt hat nicht die Firma, sondern ein Freund geschrieben, und man glaubt ihm jedes Wort, das darin über Scott Kelly steht, der sonst mit seiner Stimme und Gitarre den Finsterfolk bei Neurosis einbringt. Er hat gelitten, Abgründe durchschritten. Er weiß zu schätzen, was da ist, weil er weiß, wie es ist, wenn man alles verliert. Für die Hörer seines dritten Soloalbums resultiert diese Wertschätzung für das Wenige in Musik, die mit “karg” noch blumig umschrieben ist. In einem leeren Raum hallen die Schatten von Kellys brummiger Stimme und die langsam gezupften Saiten der Akustikgitarre wie in Pech getränkte Brückenseile. Das alles langsam, gaaanz langsam; so abgebremst und verschleppt, dass es manchmal wirkt, als habe er den nächsten Akkord vergessen und würde sich erst im letzten Moment wieder daran erinnern. Greg Dale von Christ In Parade und Neurosis-Kollege Noah Landis müssen nicht viel tun in diesen trockenen Landschaften, die sehr stark von den erzählten Geschichten leben – neben der Stimmfarbe ein Grund, an Johnny Cash zu denken. “The Field That Surrounds Me” wickelt einen ein, hier geht das Konzept auf, doch meistens erwischt man sich selbst als Freund der Verlangsamung dabei, ungeduldig zu werden, da es sich schließlich immer noch um Songs handelt und nicht um Drone-Schleifen, die den Minimalismus zur Trance erhöhen. Kelly passiert mit Seelenabgründen das, was Tom Morello als Nightwatchman mit seinem Protest unterläuft: Der maximale Wille erzeugt nicht die maximale Wirkung. Herausfordernden Charme bewahrt das Album dennoch.
weitere Platten
The Wake
VÖ: 23.05.2008
Spirit Bound Flesh
VÖ: 07.08.2001