Herrenmagazin
Das Ergebnis wäre Stille
Text: Christian Wiensgol
Beim ersten Hören könnte man meinen, die Hamburger hätten endgültig genug von exzessiven Nächten mit all ihren Unbekannten. Mit “Atzelgift” und “Das wird alles einmal Dir gehören” waren sie mittendrin im Getümmel. Deniz Jaspersens Worte überschlugen sich, überall schepperte es, und Glas ging zu Bruch. Aber heute? “Wenn alle Gläser erklingen/ Wenn tausend Stimmen Jubel singen/ Bin ich schon lang nicht mehr da”, heißt es in “Lang nicht mehr da”, dem auffälligsten, weil erstmals gewollt schön gesungenen Song. Der Refrain klingt nach einem Moment völliger Klarheit, geschaffen durch Distanz. Bereits beim zweiten Hören von “Das Ergebnis wäre Stille” tun auch die anderen Texte, was Herrenmagazin-Texte eben tun. Sie bleiben hängen. Und dann sieht die Lage schon wieder anders aus: “Von einem Berg wär das überschaubar/ Doch es ist kein Berg zu sehen/ Es rettet uns kein Zauber/ Und das gilt es zu verstehen”, macht die erste Single “Frösche” klar. Also immer noch dunkelgrau mittendrin, statt himmelblau über den Dingen. Aber gleichzeitig trägt Jaspersen diese Zeilen in bester “Landungsbrücken raus”-Manier vor und schafft so eine Diskrepanz zwischen Text und Ton, die exemplarisch für “Das Ergebnis wäre Stille” ist. Scheut man sich einerseits davor, seine und Rasmus Englers Texte als Wortwitz zu bezeichnen, weil einem das Lachen vor Bitterkeit im Hals stecken bleibt, ist musikalische Heiterkeit andererseits keine Ausnahme mehr. Der Hochmut kommt ab sofort, also mit dem Fall. Das ist nicht die einzige Soundneuerung bei Herrenmagazin, die in Punkkreisen als gewagt gelten dürfte. “Gepolsterte Wand” ist der einzige Ausdruck, den Jaspersen noch schreit – und das nur einmal in “In toten Hügeln”. Punk steckt höchstens in diesem Song und im Postpunk vom Opener “Regen”, der mit pumpendem Bass an Turbostaat erinnert, aber gleichzeitig eine feste Neuerung einführt: Die Strophe muss nicht mehr mit Verzerrung verwüsten, sondern darf mit zackiger Lead- oder untermalender Akustikgitarre gern aufgeräumt bleiben. Dieser Devise folgen alle zehn Songs auf “Das Ergebnis wäre Stille”, was Herrenmagazin in die Nähe ihrer frühen Förderer Kettcar schiebt. Etwa im Trennungssong “Landminen”, in dem der Refrain lange auf sich warten lässt und dann mit Klavier angedeutet wird, um letztlich mit vernichtenden Worten Hoffnungen zu zerstören und gleichzeitig mit großer Melodie Trost zu spenden. Es wird Herrenmagazin selbst genauso wenig gefallen, wie den Punks – aber diese Band ist erwachsen geworden.
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