Es lag wahrscheinlich an der Lautstärke. Die Band aus Wales hatte sich vor allem darauf gefreut, während der Aufnahmen ihrer zweiten Platte “Wolf’s Law” ein paar wilden Tieren zu begegnen. Am Ende reichte es aber nur für eine Horde Eichhörnchen und ein freundliches Opossum, die Sängerin Ritzy Bryan, Bassist Rhydian Dafydd und Schlagzeuger Matt Thomas zu sehen bekamen, nachdem sie im vergangenen Winter ihr tragbares Studio zusammengepackt und sich in einer Hütte im Wald von Oregon niedergelassen hatten, 30 Meilen entfernt von den nächsten Menschen und Supermärkten. Die Abgeschiedenheit hat The Joy Formidable dennoch gut getan. Eingeschneit bis zur Türklinke, konnten sie sich vom Wirbel um ihr Debüt “The Big Roar” und die darauffolgenden Touren erholen, in klassischer Literatur versinken und ihre Gedanken sammeln. Die Lautstärke, die Grunge- und Wave-Elemente und das Können, ihre Songs krachend in die Breite zu treiben, haben die drei Musiker dabei nicht verloren. Jetzt singen sie von creatures and stories, lassen den Bass in “Tendons” wie eine Doom-Gitarre und überhaupt alles trotziger und ambitionierter klingen als noch vor knapp zwei Jahren.
The Joy Formidable haben es geschafft, ein zivilisationsfernes Album aufzunehmen, das sich ausführlich mit der Zivilisation befasst. Auf “Wolf’s Law” geht es um Nachhaltigkeit, in der Musik wie in allem anderen. Joy-Formidable-Alben erscheinen verpackt in recyceltem Papier, und vor jeder Tour macht sich die Band Gedanken über die Art, wie sie ihre Wege zurücklegen will. Man darf die Waliser aber nicht als Kollektiv missverstehen, das für jeden gefahrenen Kilometer einen Baum pflanzt und zwischen den Songs auf der Bühne Räucherstäbchen anzündet (wer im November das Westend Festival besucht hat, weiß das sowieso schon). Bryan und Co. führen ihre politischen Gedanken auf eine sehr moderne und direkte Weise aus. Klima-Probleme, Überbevölkerung, das kulturelle Erbe von Amerikas Ureinwohnern und die Hektik im Alltag, verhandelt in Songs, die mitreißen und den nötigen Platz zum Nachdenken lassen.
Auf “Wolf’s Law” funktioniert das dank der großen Refrains, die noch vor sechs Jahren so auch von Muse gekommen sind. The Joy Formidable spielen stufenweise und im “Maw Maw Song” mit albernen Katzenlauten vor einem umso schlaueren Hintergrund, bis jemand die Stecker zieht und Bryan das Stück alleine zu Ende klimpert. Sie packen sich Biffy Clyros “Saturday Superhouse”, saugen dessen Energie auf und spucken sie in “Cholla” als einen wavigen Feuerball aus hektischem Gesang und quakenden Synthies aus. “Wolf’s Law” ist verwackelter Powerpop, der eine Abrissbirne im Gepäck hat. Was zwischendurch leider untergeht, sind die andächtigen Momente, in denen Bryan am Kamin sitzt und durchs Fenster in den Wald hinein singt. Danach sind die Ambitionen wieder da: Für “The Turnaround” stellen sich The Joy Formidable ein Orchester in den Rücken und inszenieren ein filmreifes Finale. In den Credits folgt dann noch das Klavier-Geständnis “Wolf’s Law”, und Bryan fasst zusammen, was wir inzwischen alle denken: I’m your friend/ Not your god.
weitere Platten
Into The Blue
VÖ: 20.08.2021
A Balloon Called Moaning (10th Anniversary Edition)
VÖ: 25.10.2019
Aaarth
VÖ: 28.09.2018
Hitch
VÖ: 25.03.2016
The Big Roar
VÖ: 25.02.2011