Das Schockeffekt-Prinzip von Odd Future scheint bereits abgenutzt, von den Mitgliedern des 2011 hoch gehandelten HipHop-Kollektivs hatte 2012 nur Frank Ocean ein gutes Jahr – unter anderem, weil er sich so vollständig von der Gruppe emanzipierte, dass er kaum noch als Odd-Future-Mitglied wahrgenommen wird. Tyler verbrachte die letzten zwölf Monate auf Tour und als Internet-Troll, während er “Wolf” lange vor sich her schob. Jetzt wo es da ist, versteht man, warum. Die Platte distanziert sich vom zerschossenen Bombast des Vorgängers “Goblin”, überrascht mit größerer Musikalität und klingt sogar, als sei sie gemixt worden. Orgel und Klavier stehen gleichberechtigt neben den LoFi-Synthies von “Goblin”, nicht jeder Drumbeat zerfällt in seine Einzelteile. Es kann deshalb frustrierend sein, dass Tyler den textlichen Absprung nur teilweise schafft. Zwar hat “Wolf” nicht mehr das Skandalbedürfnis des Vorgängers, es kommt aber auch nicht um dessen Rundumschläge und vorgespielte Gleichgültigkeit herum und reanimiert sogar das ausgereizte Psychiater-Gimmick von “Goblin” und “Bastard”. Stücke wie der Vatersong Answer, der nach einer Beleidigungsstrophe in erstaunliche Verletzlichkeit abdriftet, haben diese Rückbezüglichkeit nicht nötig, andere Tracks der traditionell überlangen Platte schon. “Rusty” zum Beispiel ist ein Update des längst verinnerlichten Odd-Future-Nihilismus, ein Track, den erst die akrobatischen Gastzeilen von Domo Genesis und Earl Sweatshirt interessant machen, und “Colossus” eine Web-2.0-Verison von Eminems “Stan”. Zum Glück ohne Dido, leider ohne vergleichbaren Spannungsbogen.
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