“Tooth & Nail” – das klingt nach hartem, unversöhnlichem, altmodischem Protestgerumpel. Nichts könnte dem elften Album von Billy Bragg ferner liegen. Altmodisch ist hier höchstens der Mut zu ungebrochenen Country-Elementen wie der klassisch heulenden Slide-Gitarre. Von alternativ braucht da musikalisch niemand erst zu sprechen – Bragg verarbeitet die knisternden Lagerfeuer- und Landstraßen-Elemente von Country und Folk so originalgetreu, wie es sich für einen alten Genre-Gentleman gehört. Seine warme, volle, tragende Stimme (für die Tom Morello bei seinen Alben als The Nightwatchman sein letztes Hemd geben müsste) hüllt einen in Geborgenheit. “Over You” etwa könnte genau so auch auf einem der dunkleren Alben von Chris Rea enthalten sein. Selbst textlich ruft das neue Album des Altmeisters keine zornigen Revolutionen mehr aus, sondern formuliert Lebensweisheiten und Weltbetrachtungen, die fast jeder unterschreiben kann. Die Kalenderfassung des kategorischen Imperativs in “Do Unto Others” als Minimalkonsens des fairen Miteinanders oder die Erkenntnis, dass die Wissenschaftler für Kernforschung ihren anmaßenden Größenwahn auch aufgeben und zugeben dürfen: “No One Knows Nothing Anymore”. Spätestens in “Chasing Rainbows” hört man dann, warum Bragg unter den Protestsängern zum Weltstar geworden ist und andere eben nicht: Wie dort die Zeile Please don’t let my complacent mind belie my loving heart buttergleich über einem ruhig fließenden Country-Schieber zerschmilzt, zeugt von großem Können. Und das setzt sich nun mal auch unter Sozis durch.
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