Lindsey Troy und Julie Edwards haben völlig bewusst selbst Schuld daran, dass man bei der Beschreibung ihrer Band an Äußerlichkeiten hängen bleibt. Die beiden inszenieren sich halt gerne. Das Gegenteil davon wäre schüchtern. Troy und Edwards sehen aus wie die Sorte Frauen, die sich Led Zeppelin und Aerosmith in ihren goldenen Zeiten in den Backstage-Bereich bestellt hätten. Doch das Prinzip drehen Deap Vally einfach um. Sie sind diejenigen, die nach hinten bestellen. Falls das denn vonnöten sein sollte. Leichtes Spiel hätten sie gewiss. Es ist zu leicht, ihrem sündig groovenden, verheißungsvoll knarzenden Blues-Gospel zu erliegen. So kann man das mit reizüberflutetem Männerverstand betrachten. Frauen sehen hier wahrscheinlich zwei selbstbestimmte Rockerinnen, die die Klischees des Schwanzrocks ummünzen in Clitrock, der gestandene Männer zu willigen Würmern degradiert. Wenn man den ganzen Sex mal beiseitelässt – was schwer fällt, schließlich sind die Songs damit aufgeladen und die luftigen Outfits von Gitarristin und Howlerin Lindsey und Schlagzeugerin Julie lassen schwerlich anderes assoziieren –, dann ist “Sistrionix” ein richtig gutes, stampfendes Etwas aus Blues und Garagenrock geworden. Ein Etwas, das mit der Zeile “C’mon everybody!/ Listen up!” beginnt und direkt das Ende der Welt zelebriert. Das Stück mit der gnadenlosen Basslinie, die aus der Gitarre herausgequält wird, war ein verheißungsvolles frühes Lebenszeichen, das 2012 bereits als Single für feuchte Handinnenflächen sorgte – und natürlich ein mystisches Bild dieses verruchten Duos zeichnete. Das wird nun auf Albumlänge aufgezogen. Zehn mal beschwören Deap Vally den puren Blues-Spirit eines Son House oder Howlin Wolf, schleifen ihn durch die 70s-Girlpunk-Schule, um ihm Joan Jett vorzustellen und machen ihn dann fit für die Black Keys/White Stripes/The Kills geschulten Ohren der Gegenwart. Dabei passieren Songs wie das sich stimmlich umgarnende “Your Love”, ein rudimentärer Stampfer wie “Walk Of Shame” oder das herrlich gospelige “Baby I Call Hell”, um am Ende mit “Six Feet Under” und seinem heimlich angehängten “Spiritual” sogar noch so etwas wie Tiefgang einzuleiten. Da auf Deutsch leider vieles oft steifer und anzüglicher klingt, als es gemeint ist, sagen wir es zum Abschluss halt auf Englisch: Sistrionix ist “wicked badassery”!
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VÖ: 26.02.2021
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