Der Witz ist, dass es keinen gibt. Bad Religion spielen Weihnachtslieder, das ist alles. Frohen Oktober! Wann sonst sollte das Weihnachtsalbum der säkularsten aller Punkbands denn auch erscheinen? Mitten im Lamettatrubel, getarnt als Stock zwischen den Beinen der seriös beflockten Schlagerstars, die ihren Platz auf der Eins bestimmt nicht räumen, damit sich da oben jemand über sie lustig macht? Für so halbherzig vorgeschobene Kritik ist sich Greg Graffins Zeigefinger viel zu schade. Statt draufzuhauen, wo sowieso schon alle schlafen, schlagen er und Brett Gurewitz das Fest der Liebe also mit seinen eigenen Waffen und zeigen überraschend viel Herz für traditionelles christliches Liedgut. Der Dreh ist, dass es funktioniert, weil Weihnachtslieder und Punksongs natürlich von Grund auf schon viel gemeinsam haben: Die Parolen sind schlicht, die Melodien kriegt man auch noch mit Glühwein oder Bier auf die Reihe, und am lustigsten ist es sowieso, wenn man sich dafür mit anderen trifft. Bad Religion haben das verstanden und es deshalb überhaupt nicht nötig, ihre flotten Punkversionen von Stücken wie “Hark! The Herald Angels Sing”, “God Rest Ye Merry Gentlemen”, “White Christmas” oder “Little Drummer Boy” inklusive Chören und Getrommel mit Sarkasmus und Ätze zu überanstrengen. Mit Switchfoot wird sie schon keiner verwechseln. Und am Ende ist die Zeitlosigkeit sowieso auf ihrer Seite: Wo kein Witz ist, kann auch keiner alt werden.
9/12 Britta Helm
1996: Bad Religion singen deutsch. 1998: Bad Religion singen mit Campino. 2013: Bad Religion singen Weihnachtslieder. Die Ankündigung, ein Weihnachtsalbum aufzunehmen, war nur so lange witzig, bis Greg Graffin und Brett Gurewitz sie tatsächlich umgesetzt haben. Denn “Christmas Songs” ist ein gespielter Witz, der einzig und allein auf dem Gag basiert, dass eine Punkband mit dem Namen Bad Religion – inklusive eines signifikanten Bandlogos, auf dem ein Verbotsschild mit durchgestrichenem Kreuz zu sehen ist, und einem Sänger, der Professor für Evolutionsbiologie ist – doch wohl nicht etwas so lahmes, konservatives und kapitalistisches machen könnte, wie ein Weihnachtsalbum aufzunehmen und es zu verkaufen. Verstehen sie? Klar. Nun haben sie es also tatsächlich getan, und nein, es ist kein wirklicher Twist dabei. Sie haben einfach acht traditionelle Weihnachtslieder einigermaßen einfallslos im Bad-Religion-Stil gecovert und ans Ende noch
den Andy Wallace Mix (wasauchimmer…) ihres 1993er “Recipe For Hate”-Hits “American Jesus” gepackt, wahrscheinlich um die EP damit in den richtigen Kontext zu stellen. Lahmer ging’s echt nicht? Um zu wissen, dass Weihnachten die Zeit der Abzocke ist, braucht niemand ein Album seiner Lieblingsband das uns diese Tatsache noch einmal vor Augen hält, schließlich hat diese Band uns doch bestens aufgeklärt in all den Jahrzehnten! Das ultimative Punk-Statement in EP-Form haben Wizo & Hi-Standard ohnehin längst gesetzt – und dabei soll es bleiben: “Weihnachten stinkt!”
4/12 Jens Mayer
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