Als sich die Gitarrenrocker Anfang der 90er Jahre in kaputte Jeans zwängten, trug Greg Dulli schon schwarze Anzüge. Seine Band, The Afghan Whigs, waren die zwielichtigen Gentlemen der Szene, dekadente Schwerenöter im feinen Zwirn und mit Dutzenden alten Soulplatten im Regal. “I’ve got a dick for a brain”, sang Dulli auf “Gentlemen”, eines der besten Gitarrenalben der 90er. Große Worte, sehr gelassen gesungen. Als sich die Band 2001 auflöste, war nach sechs Alben eigentlich alles gesagt. Dulli gründete die Twilight Singers, kooperierte mit Mark Lanegan, schwor den Drogen ab. Er wirkte zufrieden. Jetzt wissen wir: In ihm brodelte es weiter. Deshalb “Do To The Beast”, eine neue Platte mit den Afghan Whigs, mit dem altern Schulfreund John Curley am Bass, aber ohne Gitarrist Rick McCollum, der – so Dulli – erst einmal seine privaten Probleme in den Griff bekommen soll. An dieser Personalentscheidung zeigt sich: Dulli will nicht mehr das Leben von damals, er raucht nicht einmal mehr. Aber er will noch einmal die Musik von damals spielen. Songs aus modrigen Zimmern in billigen Motels oder dunklen Wäldern, in denen zwei Menschen Teuflisches anstellen, wie in einem Film von Lars von Trier. Erstmals singt Dulli nicht ausschließlich über sich, sondern hat Charaktere erfunden: Paare mit Hang zur Morbidität, verletzte Liebhaber, Menschen am Abgrund. Wer nun depressive Musik erwartet, liegt falsch: Dulli haucht diesen Geschichten ein letztes Leben ein. Seine Songs schenken den dunklen Szenarien den finalen Funken, damit stehen die Afghan Whigs in der Tradition großer Soulsänger, denen es ja auch gelingt, das Ende einer Liebe mit Würde und Groove zu beschreiben, man höre nur Marvin Gayes “Here, My Dear”. “Do To The Beast” beginnt brachial, mit lauten Gitarren und einer basslastigen Hommage an modernen R’n’B: Ein gemeinsames Konzert mit Usher war laut Dulli die Initialzündung für diese Platte. Unschlagbar sind die vier Songs im Herzen des Albums: “It Kills” klingt nach schwelgerischer Verzweiflung, “Algiers” ist ein Hit mit Phil-Spector-Großwandpanorama und Vocals zwischen Smokey Robinson und Roy Orbison. “Lost In The Woods” funktioniert als Hymne auf das, was vom Leben übrig bleibt, wenn man keinen Menschen mehr um sich hat. Das wuchtige “The Lottery” blickt auf die Zufälle des Daseins, die darüber entscheiden, ob wir morgen blutend im Wald liegen oder brillanten Sex genießen. Dulli weiß: Es ist zwar alles nur ein Spiel. Aber der Einsatz ist das Leben.
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