Bäume, auf denen Geld wächst, säumen Brody Dalles Weg in die Hölle, und auch sonst geht es ihr augenscheinlich gut. “Rat Race” nimmt keine Gefangenen und katapultiert einen mit schnörkellos-schmutzigem Punkrock direkt hinein in das Inferno, das ihr erstes Soloalbum ist – zumindest in der ersten Hälfte, doch dazu gleich. Denn zunächst werden wohl die meisten versuchen zu erkennen, wo sich zwischen Dalles “road to hell” und ihrem “tree that grows money” das Zutun ihres Ehemanns versteckt. Der drückende Bass? Die trockene Snare? Das Gitarrengewitter im Refrain? Eine gewisse Queens Of The Stone Age-Ästhetik kann man “Rat Race” ebenso wenig absprechen wie dem folgenden “Underworld”, mit dem Dalle textlich in der Unterwelt ankommt und musikalisch fortsetzt, was sie in den bisherigen paar Minuten formuliert hat: eine Unabhängigkeitserklärung von ihrer Vergangenheit mit Spinnerette und den Distillers, von denen sie sich mit zunehmender Spielzeit immer weiter entfernt. Da passt es ins Bild, dass sie im Interview herumdruckst, wie groß letztlich Josh Hommes Einfluss auf ihr erstes Soloalbum war: Es wäre nicht gerade ein Ausdruck künstlerischer Emanzipation, sich als Musikerin von Gattens Gnaden zu präsentieren. “Diploid Love” macht aber schnell deutlich, dass Brody Dalle hier ihren eigenen Film fährt. Das fängt an bei den Rocket From The Crypt-Gedächtnisbläsern der ersten zwei Songs, die am Ende von “Underworld” ins Mariachi-Geschunkel münden. Es setzt sich in “Dressed In Dreams” fort, das mit verhallten Wave-Gitarren und einem Mehr an Melancholie den ersten Bruch mit dem heißblütigen, kompromisslos nach vorne peitschenden Punkrock markiert, den Dalle uns bis hierher präsentiert hat. Und es wird wirklich ungewöhnlich, wenn sie für “Carry On” Klavier und Drum Machine auffährt. Hier beginnt sie, die zweite, weniger infernalische Hälfte von “Diploid Love”, in der die Freigeistigkeit endgültig siegt und Dalles Vergangenheit als notorisch verkatertes, von der Bühne aufs Publikum rotzendes Riot Grrrl nur noch eine unwahrscheinliche Erinnerung ist. Die Meisterleistung dieser Platte ist allerdings nicht nur, wie versiert vielseitig sie ist, sondern vor allem auch, dass alles aufeinander aufbaut und die Songs in Summe wie aus einem Guss wirken. Würde man sie aus dem Albumkontext reißen und beim ersten Hören nach Song eins direkt zum fünften skippen, käme man kaum mit. Denn dann würde dem zupackenden Punk-Opener “Rat Race” plötzlich “Meet The Foetus/Oh The Joy” gegenüberstehen, Dalles kühlem Flirt mit Synthie-Bass und EBM-Beat. So aber wirkt der Weg hierher konsequent: Schritt für Schritt wächst Dalles Selbstbewusstsein, und damit ihre Ausdrucksmöglichkeit. In “I Don’t Need Your Love” gönnt sie sich zum Schluss Streicher, die “Parties For Prostitutes” steigen zwischen Walzerschlag und Nine Inch Nails-mäßigem Industrial-Finale. Was für ein Album, was für ein Ausklang, was für eine wilde Demonstration der Fertigkeiten, die in dieser immer etwas unterschätzten Frau stecken! Was auch immer er dazu beigetragen hat – Josh Homme muss gerade verdammt stolz auf seine Frau sein.