All die schnoddrigen Anfeindungen des ehemaligen Oasis-Songschreibers eint eins: Sie sind unterhaltsam und beinhalten immer einen Funken Wahrheit. Wer von Noel Gallaghers Pöbelattacken nicht begeistert ist, muss entweder davon betroffen, Anhänger der Leidtragenden oder – in manchen Fällen – sein Manager sein. Denn dass Gallaghers Albumverkäufe von seinem Pöbel-Gen profitierten, kann man nur vermuten. In den Schlagzeilen ist er jedenfalls seit Wochen, weil er sich gehen lässt: Mal sagt er seiner Tochter, wen sie auf einem Ed-Sheeran-Konzert beleidigen soll; dann behauptet er, niemals Songs über sein eigenes Leben zu schreiben, denn das sei langweiliger als James Blunt; und letztlich säuft er lieber Benzin aus dem Zapfhahn, als sich ein Interview mit Arctic Monkeys’ Alex Turner anzusehen. Für seine Sprüche braucht er genau so wenig einen Gag-, wie für seine Lieder einen Songschreiber. Auf “Chasing Yesterday” hat Gallagher auch die Produktion in die Hand genommen – zusammen mit Paul Stacey, der Bass und zweite Gitarre einspielte, während sein Bruder Jeremy, der zu Gallaghers Live-Band gehört, Schlagzeug spielt. Bevor die neuen Umstände sich musikalisch offenbaren, nimmt einen der wunderbare, knapp sechsminütige Opener “Riverman” mit vertrauten Akkorden in die Arme. Dass wir es aber nicht mit dem nächsten “Wonderwall” zu tun haben, wird schnell klar. Nach zwei Minuten driftet Riverman in einen psychedelisch-progressiven Part ab, der von einem Saxophon beendet wird. Mehr Bläser und Psychedelic gibt es im schwebenden, gegen Ende ausufernden “The Right Stuff”. Ist Noel Gallagher erwachsen geworden und hat eine progressive Jazz-Platte aufgenommen? Nein: Schließlich spielt Johnny Marr (und nicht Steven Wilson) im finalen “Ballad Of The Mighty I” die Gitarre zum Disco-Beat, bleibt Gallagher seinen Songwriter-Wurzeln im Ohrwurm “In The Heat Of The Moment” ebenso treu wie in “You Know We Can’t Get Back”, das ein Oasis-Song der 00er sein könnte. “Lock All The Doors” erweckt sogar deren Gitarrenwucht wieder zum Leben und geht unbändig nach vorne, inklusive großartigem Gitarrensolo. Mit Bruder Liam am Mikrofon hätte dieser – und manch anderer – Song des Albums an Durchschlagskraft gewonnen. Noels Stimme ist einwandfrei, ihr fehlt aber diese Rauheit. Noel Gallagher hat ein begnadetes Songwriter- und Pöbelherz, er trägt dies auch auf der Zunge, aber eben nicht in den Stimmbändern. Das bleibt aber der einzige Makel an “Chasing Yesterday”.
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