“Bleiben oder gehen”, Feine Sahne Fischfilet stellen die richtige Frage und machen klar, dass Landflucht den Falschen in die Karten spielt.
“Bleiben oder gehen” ist eine Frage, die man sich nicht nur als politisch aktiver Punk in der Nazi-Hochburg Mecklenburg-Vorpommern jeden Tag stellt, wenn man einem guten Debüt sei Dank überall dort reinschnuppern durfte, wo die Guten inzwischen wohnen. Sie stellt sich auch für alle, die zwischen Schulabschluss, Ausbildung oder Straßenabitur nicht wissen, wohin die Reise gehen soll. Feine Sahne Fischfilet haben sich für den bestmöglichen Mittelweg entschieden, der in diesem Fall alles andere als den Tod bringt. Sie bleiben und liefern die Gründe dafür gleich mit: Man darf nicht kleinbeigeben und sich in vermeintliche Wohlfühlzonen flüchten. Musik wider die Filterbubble, deren Pathos zu authentisch ist, um sie nicht ernst zu nehmen. Manchmal schießen FSF zwar etwas übers Ziel hinaus – “Wut” ist reichlich unreflektierte Kritik am deutschen Polizeiapparat, liefert im gerappten Mittelteil trotzdem Zeilen für die Ewigkeit wie Zieh lieber eine Line Zement/ als down zu sein mit Rainer Wendt. Musikalisch wirkt alles aber reifer als auf dem stürmischen Debüt und in den Texten schwingt eine schmerzhafte Melancholie mit, die sich – so komisch es klingt – aus der gleichen Quelle speist wie Marterias Hymne an seine Heimatstadt Rostock. Und uns wieder zur Ausgangsfrage bringt: Bleiben oder gehen? Dieses Album bleibt, keine Frage!
9/12 Florian Schneider
Den Staatsschutz-Bonus müssten Feine Sahne Fischfilet so langsam mal los sein – und ohne den ist die neue Platte ziemlich mau.
Natürlich sollte gut gemachter Punk auch heute noch Position beziehen, natürlich ist Haltung gerade in diesem Genre im Zweifel relevanter als das musikalische Können. Aber gesanglich so bewusst und uneinsichtig an jeglichem Melodieverständnis vorbei zu schrammen und zum größten Teil vorhersehbare Songs zu stricken, das muss selbst im Punk 2015 nun wirklich nicht mehr sein – Kredibilität hin, Ethos her. Abgesehen von den nachvollziehbaren politischen Statements zu Fremdenfeindlichkeit, den NSU-Prozessen und staatlicher Kontrolle reißen Feine Sahne Fischfilet auch textlich nichts – außer vielleicht die Hürden auf dem Weg zur ernstzunehmenden Band, die auch ohne das Gimmick der gefährlichsten Band Mecklenburg-Vorpommerns wirklich funktioniert. Sich zum Straßenabitur zu bekennen und sein Leben zwischen Party, Suff und Tour zu feiern, beeindruckt heutzutage niemanden mehr, genau wie abgenudelte Referenzen an Punk-Urväter wie The Clash. Vor allem nicht, wenn auf den dazugehörigen Songs die Spaß-Bläser dominieren, ein Stilmittel, das nur bei den wenigsten Bands und noch weniger Punk-Bands funktioniert, ohne quatschig zu wirken. Wer seinen Deutschpunk politisch braucht, hat auch ohne die zweifellos sympathische Band genug Alternativen, die nicht stellenweise unangenehm nach den Toten Hosen klingen. Dont believe the hype!
3/12 Florian Zandt
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