Faith No More
Sol Invictus
Text: Jan Schwarzkamp
Crossover, was ist das eigentlich noch mal? Ein Begriff, der alles und nichts bezeichnet, vor allem aber dann herhalten muss, wenn eine Band oder ein Künstler wild musikalische Stile miteinander verbindet, die sonst eigentlich nicht Händchen halten wollen. Vor allem für die Kombination von Rap und Rock wurde der Begriff früher gerne verwendet. Rap und Rock gingen bei Faith No More auch mal gut zusammen, auf diese allzu simple Formel beschränken, ließ sich die Band aus San Francisco jedoch nie. Dafür war das Quintett immer schon zu eklektisch – und viel zu exzentrisch.
Dass Faith No More diesen beiden Attributen immer noch gerecht werden, beweist “Sol Invictus” eindrucksvoll. Die Band kehrte mit der ersten, jetzt ein halbes Jahr alten Vorab-Single “Motherfucker” nicht gerade zimperlich aus der langen Album-Pause zurück. Die aktuellen Plakate und Bandfotos mit irritierenden Sadomaso-Details tragen ihr Übriges zum skurrilen und fremdartigen Image von Faith No More bei. Und jetzt wird es endlich Realität: ein neues Album der Band um Übersänger Mike Patton. Tatsächlich sind Faith No More die Band unter all den 90er-Alternative-Veteranen, bei der man am wenigsten darum bangen musste, dass sie sich blamieren könnten, wenn sie nochmal ein Album aufnehmen. Einerseits haben sie sich Zeit gelassen, nämlich 18 Jahre seit “Album Of The Year”, andererseits gewartet, bis sie genug taugliche Songs hatten.
Zehn sind es geworden. Und sie taugen! Obwohl oder gerade weil Faith No More nichts nennenswert verändert haben. Man kann sie immer noch kein Stück festnageln. In jeder Sekunde könnte sich der Stil des jeweiligen Songs verändern, könnte Pattons Stimme eine völlig andere Farbe annehmen. Der Titelsong – man darf das Bild der “unbezwungenen Sonne” gern als Beschreibung der Band ihrer selbst interpretieren – empfängt einen ruhig, mit edel klingendem Piano, um dann für den ersten Höhepunkt Platz zu machen. “Superhero”, den die Band schon auf einigen Reunion-Shows gespielt hat, ist ein Trademark-Song. Etwas “Midlife Crisis” hier, etwas “Digging The Grave” da, fertig ist ein fünfminütiges Monster, das gleichzeitig altbekannt und wahnsinnig frisch klingt. Es ist bis hier schon fast alles angelegt, was man sich von Faith No More erhoffen konnte. Aber es kommt natürlich noch mehr. “Sunny Side Up” etwa wechselt zwischen Loungenummer und einer Steigerung, zu der ein keifender Patton gehört.
Faith No More haben mit “Sol Invictus” ihr ganzes Können ausgelotet. Es ist das homogenste heterogene Album, das man sich von einer Rockband wünschen kann, stilistische Grenzerfahrungen inklusive. Das vorab veröffentlichte “Motherfucker” ist dafür eines der besten Beispiele, bevor das Album mit dem epischen “Matador” wieder zur “Midlife Crisis” zurückkehrt, um mit “From The Dead” nach gewonnener Schlacht und in Westernstimmung in den Sonnenuntergang zu reiten. Crossover ist tot, es lebe Faith No More!
weitere Platten
We Care A Lot - Deluxe Band Edition
VÖ: 19.08.2016
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