Und umgekehrt natürlich auch. Nicht, dass man sich bei Wire auf vorsätzliche Trommelfellzerstörung und musikalische Amokläufe einstellen müsste: Die Postpunk-Veteranen überführen ihren ästhetischen Ansatz recht schonend in die Hörgewohnheiten von Menschen, die es mit Teenage Fanclub und den Go-Betweens genauso wie mit The Falls und Mission Of Burma halten. Wut, Zorn und generelle Anti-Haltung haben sich bei den Londonern nie über Gewalttätigkeiten vermittelt, sondern eher über deren Andeutung. Das kann man auch heute noch an Colin Newmans Stimme hören, die im zutraulichen Tonfall eines Kneipenpatrons daherkommt, der sich für genau zehn Bier zu benehmen weiß, bevor es kritisch wird. Genauso verhält es sich mit ihrer Musik, die bei aller Modernisierungsunlust nicht nur Kante, sondern auch Swing hat, und ein Wire-Konzert anno 2015 nicht zur Nostalgieveranstaltung werden lässt. Im Gegenteil: Die elf Songs der Platte klingen immer noch so drahtig, als wären sie einer frisch gegründeten, noch nicht ganz fingerfertigen Garagenband rausgerutscht. Nicht, dass die Altersfrage entscheidend ist. Mit ihrer wetterfesten Postpunklegierung haben Wire zwar dazu beigetragen, dass sich ältere Herrschaften cooler mit Gitarren behängen können als jemals zuvor, gleichzeitig sorgen die sozialen Verhältnisse dafür, dass das nötig wird. Die gesellschaftliche Entwicklung lässt Wire so gallig klingen wie 1983, die Phase dazwischen hat augenscheinlich nicht zum Luftholen gereicht.
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