Man kann vom neuen Tame Impala Album enttäuscht sein, aber nur wenn man sich falsche Hoffnungen gemacht hat.
Eine Rockband im eigentlichen Sinne waren Tame Impala nie. Spätestens beim ersten Hören von “Currents” wird klar, dass Kevin Parker mehr drauf hat, als zum dritten Mal analogen, schön staubigen psychedelischen Indierock abzuliefern. Das Album zeigt vielmehr die eindrucksvolle Weiterentwicklung eines Künstlers, der in seiner Karriere einen Fehler nicht zu machen scheint: sich auf zwei Alben hintereinander zu wiederholen. Trotzdem ist die Grundstimmung von “Lonerism” und “Innerspeaker” auch auf “Currents” zu finden, Parker transportiert sie nur mit anderen Mitteln: fluffigen Drums, satt wabernden Synthies und sonnigen Melodien wie im Zeitlupen-Hit “Cause Im A Man”, die gleichermaßen vom Yacht-Rock-Revival und klassischem Pop beeinflusst sind. Dazu kommt eine Produktion, die Danger Mouse altbacken aussehen lässt, sich vor Air und Daft Punk verbeugt und musikhistorisch so beschlagen ist wie Beck. Mit Disco hat das so wenig zu tun wie mit Ibiza-Chill-Out – dafür sind die Songs von Parker zu kunstfertig und vielschichtig. “Let It Happen” verlangt Parker im Opener, eine fast acht Minuten lange Einladung, die sich anzunehmen lohnt. Dann wird man nicht nur mit einem der Sommeralben des Jahres belohnt, sondern kann dabei zusehen, wie Parker zum zukünftigen Go-to-guy des Popbetriebs avanciert. Seine Gastauftritte auf Mark Ronsons “Uptown Special”-Album waren da erst der Anfang.
Florian Schneider
Man muss das neue Album von Tame Impala nicht scheiße finden. Aber man darf ganz gewiss enttäuscht sein.
Als wirkliche Rockband hat Kevin Parker sein Hauptprojekt Tame Impala nie begriffen. Schon immer hat er in Interviews darauf hingewiesen, dass er viel mit Synthesizern arbeitet und Dinge am Computer zusammenschraubt. Wenn man will, kann man behaupten, dass das schon ein Problem auf dem Vorgänger “Lonerism” war. Geilte einen das glamrockig pumpende “Elephant” mit trockenem QOTSA-Groove auf, träumte etwa ein Song wie “Endors Toi” von einer “Moon Safari” mit Air. Auf “Currents” verabschiedet sich Eigenbrötler Parker nun vollends vom Rock. Er hat eine Disco-Platte gemacht, deren effektvoll aufgerüschtes Herz für den Mainstream-Funk von Daft Punk schlägt. Keine Frage, Parker bekommt das alles gut hin. Er kennt sich mit Keyboards, pappigem Schlagzeug und dem Pedalboard seiner Gitarre aus, ergeht sich effektiv in Delay und Geleier, Echo und Geseier. Nur ist spätestens hier der Punkt gekommen, wo man sich entscheiden muss, ob man den Weg mit Tame Impala weitergehen möchte, oder sich mit dem alten Kram isoliert und den neuen ignoriert. Denn mit “Currents” ist Parker eindeutig in der Elektro-Disco und – noch viel schlimmer – der Fashion-Boutique und dem Ibiza-Chillout angekommen. Schön für ihn – blöd für alle, die am Fuzz-Stomp von “Bold Arrow Of Time” oder dem Psych-Rock-Freakout von “Half Glass Full Of Wine” hängen.
Jan Schwarzkamp