Coheed And Cambria
The Color Before The Sun
Text: Christian Wiensgol
Wie das so ist mit engmaschigen Bandkonzepten: Irgendwann ist die Sache durch. Selbst wenn Coheed And Cambria sich mit einer ausgefeilten Science-Fiction-Welt jedes Wurm-, ähm, Schlupfloch für Nebenschauplätze offen hielten, so waren sie doch lost in space. Wer zwischen all den Handlungssträngen und ihrem Metal-affinen Space-Prog zuletzt die poppigen Momente übersah, darf “The Color Before The Sun” nun als Richtungswechsel verstehen. Dabei hatte der Abschluss ihrer Saga “The Afterman: Descension” gar nicht so wenig Pop-Appeal zu bieten, seine Vorgänger mit den langen Titeln und den noch längeren Gitarrensoli hatten die meisten Hörer nur schwindelig gespielt. Kaum verwunderlich, dass es in einem Festivalprogrammheft des vergangenen Sommers beim Versuch, die Band zu beschreiben, bei den Attributen Prog und Metal blieb. Für melodiösen Posthardcore, dem Grundbaustein der Band, stehen Obernerd Claudio Sanchez und seine versierten Mitmusiker in der öffentlichen Wahrnehmung längst nicht mehr. Das wird “The Color Before The Sun” ändern.
Der Opener “Island” holt Band und Hörer mit Bahnhofsatmosphäre, Hardrock-Riff und Emo-Punch in unseren Kosmos zurück, genauer: nach Brooklyn, Sanchez neues Zuhause. Der Mann mit der Sirenenstimme versteckt sich nicht mehr hinter Coheed, Cambria und anderen fiktiven Helden, sondern singt über sich und sein Umfeld. Mit wie viel Offenheit und Feingefühl ihm das gelingt, beweisen die Kernstücke “Ghost” und das nach seinem Sohn benannte “Atlas”, in denen Sanchez sich mit seiner neuen Rolle als Vater und den Problemen auseinandersetzt, die sie mit sich mitbringt, etwa das, Atlas regelmäßig für die nächste Tour zurücklassen zu müssen. An Eindringlichkeit gewinnen seine Worte durch ihre Eingängigkeit. Coheed And Cambria untermauern die inhaltliche Neujustierung mit live eingespielten Songs, die sich an klassische Strukturen halten und mit starken Gitarren- und Gesangsmelodien aufwarten, egal, ob sie wie in “Island” geradeaus rocken, in “Eraser” Grunge-lastig ihrer Jugend huldigen, sich mit “Colors” und “Young Love” zwei treibende Emo-Powerballade erlauben oder im abschließenden “Peace To The Mountain” fast zur Folkband werden.
Wer Prog sucht, findet ihn im sechsminütigen “The Audience” oder in kleinen Zwischenstücken, die “The Color Before The Sun” zusammenhalten – so ganz können die Konzeptkünstler eben nicht aus ihrer Haut. Auch auf den Blick ins All will Sanchez nicht verzichten. “Here To Mars”, eine Liebeserklärung an seine Frau, avanciert mit groovenden Strophen, einer Synthie-Abfahrt, die an frühe Get Up Kids erinnert, plus Screamo-Einwürfen zum großen Hit, dessen Refrain lange nachhallt: Its in the stars/ That youre my everything from here to mars/ And everything I say I truly mean, dear darling/ I hope Im being clear cause theres no one like you on earth/ That can be my universe. Ganz ohne Weltraummetaphern geht es eben doch nicht.
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