Alle Augen auf Gahan: Aus der Kooperation wird beinahe ein Soloalbum.
Wie das Leben so spielt: Auf “The Light The Dead See”, dem ersten Soulsavers-Album mit Dave Gahan, stand der Name des Sängers gar nicht auf dem Cover. Auf der zweiten Kooperation ist “Dave Gahan” doppelt so groß gedruckt wie “Soulsavers”, das Bild hat Gahans Tochter fotografiert. Die Stimme von Depeche Mode hat das Projekt also an sich gerissen, rein ökonomisch natürlich eine vernünftige Entscheidung – und ganz anders orientiert als die von Martin Gore, sein neues Remix-Album ohne große Ankündigung zu veröffentlichen. Trotz des neuen Brandings und einem Mix, der Gahans Stimme sehr in den Vordergrund rückt: “Angels & Ghosts” führt den Weg von “The Light The Dead See” lückenlos fort. Die beiden Soulsavers-Köpfe Rich Machin und Ian Glover verfolgen weiterhin ihre Vorstellung einer perfekten Symbiose aus Gospel und Rock. Man muss aber auch feststellen: Als das Projekt noch auf verschiedene Sänger setzte, gaben sich Machin und Glover noch mehr Mühe, das Songwriting und das Klangbild zu variieren. Gahan muss hingegen nur routiniert seinen Stiefel heruntersingen. Dabei übertreibt er es hier und da mit der Intonation, was das Ensemble einige Male in die Nähe eines besseren Stadtfest-Acts rückt. Bestes Beispiel ist “Tempted”, so etwas wie das Edelstück des Albums: Man hört mal fasziniert, mal ratlos zu, auf erhabene Momente folgen seltsame Phrasierungen, der Gospelchor ist klasse, das Gitarrensolo eine Katastrophe.
5/12 André Boße
Soloalbum oder Kooperation auf Augenhöhe? Das ist unerheblich, wenn am Ende alle davon profitieren
Seine Eltern hätten ihn gezwungen, in die Kirche zu gehen – das verrät Dave Gahan im Interview in dieser Ausgabe und führt darauf seine Liebe zum Gospel zurück. Dieser Liebe haben Depeche Mode auf “Violator” und “Songs Of Faith Of Devotion” einige ihrer größten Momente zu verdanken, mit so richtig dickem Stift kann Gahan diese Liebe allerdings erst ausleben, seit er 2009 Rich Machin von den Soulsavers vorgestellt wurde. Machin und sein Mitstreiter Ian Glover hatten schon mit Mark Lanegan an herzzerreißendem Electro-Gospel gearbeitet, aber erst mit Gahan im “Sulky” das letzte Puzzleteil gefunden, ihre Vorstellung davon einem größeren Publikum nahebringen zu können. Deshalb ist es nur konsequent, wenn der Name Gahan jetzt in großen Lettern auf dem Cover dieses Albums prangt, ein bisschen weniger Steigbügel-Halter-Mentalität hätte, da hat Kollege Bosse recht, dem Album trotzdem gut getan. Aber auch so ist es phänomenal zu hören, wie es Gahan gelingt, einer eigentlich gelackten und auf Breite produzierten Oberfläche so etwas wie Schmutz und Soul einzuhauchen. Dazu passt die geisterhafte Grundstimmung, die sich nicht nur im Titel des Albums niederschlägt. Das beste Beispiel, was dieses Album ausmacht, ist aber der Opener “Shine”: eine zurückhaltende Band macht Platz für einen Frontmann, der die ganze Breite der Bühne inzwischen bis auf den letzten Zentimeter ausfüllt.
8/12 Jens Müller