Es gibt einige gute Geschichten zur fast schon aufreizenden Scheiß-Egal-Haltung von The Dirty Nil. Die zu ihrer ersten Single auf Fat Wreck geht so, dass sie zum ersten Mal den Namen Fat Mike gehört hätten, als der ihnen eine SMS schickte, weil er ihre erste Single “Fuckin Up Young” veröffentlichen wollte. Die, so will es die Legende weiter, von Fans des Labels als schlechteste Veröffentlichung auf Fat Wreck ever gehandelt wird – Fuckin Up Young, eben. Besser gefällt uns aber die Story, dass The Dirty Nil auf dem SXSW-Festival den Wunsch eines Bookers nach einer Promo-CD mit den Worten abschlugen, dass er die am Merch kaufen solle. Sie transportiert deutlich mehr vom jugendlichen Übermut und der vorgeblichen Ignoranz für die Geschichte und Gepflogenheiten des Rockbusiness, mit der die drei Kanadier auf “Higher Power” zu Werke gehen.
Die Unterstützung höherer Mächte hat “Higher Power” eh nicht nötig und brettert mit dem programmatischen “No Weaknesses” mächtig los. Seit die Single im November 2015 veröffentlicht wurde, lief kein anderer Song so oft in der Redaktion wie dieser. In zwei Minuten und 28 Sekunden bringt er scheppernd, aber tight auf den Punkt, was man von “Higher Power” zu erwarten hat: maximale Energie bei maximaler Verzerrung, gekrönt mit einem Melodieverständnis, das bei Rivers Cuomo in die Lehre gegangen sein muss. Noch evidenter wird das beim zweiten Song “Zombie Eyed”, der klingt, als hätten Weezer noch einmal zur Form von “Pinkerton” zurückgefunden und vorher jeweils 15 Kilo Muskelmasse zugelegt. Mit “Wrestle Yü To Hüsker Dü” gibt es den nächsten unwiderstehlichen Hit hinterher, der zeigt, dass es mit der Geschichtsklitterung von The Dirty Nil doch nicht so weit her ist. Davon zeugt nicht nur mit “Bruto Bloody Bruto” ein weiterer Song, dafür steht auch das im letzten Moment vom Album genommene “Guided By Vices”.
Als Schlauberger wollen The Dirty Nil aber nicht wahrgenommen werden – das geht auch gar nicht, denn in der Zeit, in der unsereins seine Hornbrille putzt, lassen die drei Kanadier einen Song wie “Fugue State” an einem vorbei rasen, der ihre Liebe zu knalligem Noiserock gar nicht mehr kaschiert. Während sich die drei musikalisch nicht um Feinheiten, dafür umso mehr um maximalen Druck kümmern, wird textlich das ganze Arsenal jugendlicher Delinquenz aufgefahren: Ex-Freundinnen wird der Teufel an den Hals gewünscht, dem Vater der aktuellen Flamme ein kräftiges “Fuck You” entgegen geschrien und überhaupt so getan, als wäre das erste Mal ein Mensch geradeso der Pubertät entgangen. The Dirty Nil sind aber clever genug, um zu wissen, dass man damit nicht ewig durchkommt. So transportiert der Closer “Bury Me At The Rodeo” zwar den typischen Wunsch danach, mit einem Knalleffekt zu verschwinden und die Zurückbleibenden ins Unglück zu stürzen, musikalisch zeigt er aber die Richtung auf, in die der Weg von The Dirty Nil führen könnte. Bis dahin: “No Weaknesses”.
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