Das fängt schon bei den Zeilen an, mit denen das morbide Trio seine Songs eröffnet: “What if Im made of stone?”, “Dont you think youll be better off/ Without me tied around your neck?”, “Moving on /Is moving in slow motion/ To keep the pain to a minimum”. Ja, da kommt Freude auf. Man kann Daughter-Songs auf drei Arten lesen: Als Depeschen aus der persönlichen Vorhölle, was einwandfrei gelingt. Als künstlerische Verarbeitung ebendieser Vorhölle entlang der musikalischen Gepflogenheiten, die sich spätestens seit The Cure für diesen Zugang empfehlen – was noch besser gelingt. Oder aber als vollkommen eigene Ausdrucksform einer emotionalen Landschaftsschau, die sich aus einem noch näher zu definierenden Grund einer ziemlich kaputten Psycho-Ästhetik bedient. Man möchte hoffen, dass sich Elena Tonra nicht auf ihre Beziehung zu Gitarrist Igor Haefeli bezieht, wenn sie Zeilen wie “I hate sleeping with you/ Cause you are never there/ Just a shadowy figure with a blank face/ Kicking me out of his place” singt. Dabei reiht sich das Statement, Sex zu hassen, in eine ganze Litanei von Dingen ein, die ebenfalls gehasst werden, passend untermalt von den Horrorfilmglöckchen, die sonst immer anschleichende Monster begleiten. Zum Glück gibt es auch Dinge, die Daughter – oder wer immer gerade hinter diesem Namen steckt – ausgesprochen lieben. Atmosphärisch hingehauchte Zeitlupensongs voller stiller Gewalt zum Beispiel, unterlegt von dezenten Triphop-Beats oder einem gar nicht dezenten Gitarrensolo – Soundeffekten, die so genau auf den Punkt kommen, dass die Lebensmüdigkeit auf Not To Disappear spätestens vor der Studiotür Halt gemacht haben muss. Praktisch jeder der zehn Songs bietet eine musikalische Reise an, bei der man auf der einen Seite des Busses in den Abgrund und auf der anderen in die Wolken schauen kann. Durch die Distanz sind beide Anblicke hübsch, doch Tonras nur scheinbar unbeteiligte Stimme wirkt vor allem im Nahkampf: “And theyre making babies/ And theyre making love/ With their old excuses/ We are built for reproduction”. Not To Disappear ist der Zaungast beim Dasein, der das Leben zur Abwechslung als sinnlosen Reigen sieht. Wie so manche Grufti-Generation vor ihr entdeckt die Band dabei eine merkwürdige Schönheit in der Brache und der Vergeblichkeit. Also bitte auf dieses Album warten, ehe man sich zu einem Schreianfall auf dem Weihnachtsmarkt hinreißen lässt.
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Stereo Mind Game
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