Die schlechte Nachricht zuerst: “Near To The Wild Heart Of Life”, das Titelstück und der Opener des dritten Albums der Japandroids, ist der beste Song des Albums. Es ist die Art von Song, der ab jetzt die Erbfolge von Indierock-Hymnen wie “The Boys Are Leaving Town” vom acht Jahre alten Debüt “Post-Nothing” und “The House That Heaven Built” vom 2012 erschienenen Nachfolger “Celebration Rock” antritt. “Near To The Wild Heart Of Life”, im Groben eine Ode an das wilde Tourleben und in fremden Betten, ist also ein äußerst wichtiger Song. Gut, dass Japandroids den nicht verkackt haben. Seit ihrem jüngsten Album ist schließlich ein halbes Jahrzehnt vergangen, in dem man wegen fehlenden Social-Media-Einsatzes so gut wie nichts von Sänger und Gitarrist Brian King und Schlagzeuger David Prowse zu hören bekam. “Sleep forever” hieß es, als im November 2013 nach über 200 Shows in 40 Ländern die Tour für “Celebration Rock” zu Ende zelebriert war. Drei Jahre dauert es, da verzücken Japandroids plötzlich mit der Radiopremiere von “Near To The Wild Heart Of Life”. Endlich ist die Band zurück, die für Ex-VISIONS-Redakteur Daniel Gerhardt einst die Rettung des Rocks dargestellt hat. Oder zumindest des Indierocks. An den zwei zwillingshaften Alben mit ihren je acht Songs in 35 Minuten gab es nichts, aber auch gar nichts auszusetzen. Das war stürmischer, unverfälschter und unprätentiöser Indierock, dessen große Gesten von genug Feedback und Wildheit sabotiert wurden, um nie peinlich zu werden. Fünf Jahre später hat sich formal nicht viel geändert. Jetzt gibt es acht Songs in – festhalten! – fast 37 Minuten. Das hätten Japandroids auch abkürzen können, würden sie sich mit “Arc Of Bar” nicht ein mit elektrifiziertem Wave-Pop und Frauenchor aufgeblasenes, Sieben-Minuten-Epos leisten. Aber das ist auch das Stück, das die Parameter des Japandroid-Sounds am weitesten verschiebt. In “True Love And A Free Life Of Free Will”, “Midnight To Morning” und dem abschließenden “In A Body Like A Grave” gibt es akustisch klingende Gitarren, wobei King natürlich mit seinem Pedalboard trickst, um die Minimalbesetzung tonal anzudicken. Was diese drei Songs und das mit schier nie enden wollenden Oh-oh-ohs versehene “North East South West” angeht, befreien die zwei Kanadier darin ihren inneren Bruce Springsteen. Das ist alles ebenso romantisch und hymnisch wie mitreißend und hemdsärmelig und trotzdem ganz groß gedacht. Und es ist insgesamt etwas polierter, schillernder, effektverliebter und weniger krachig, als man es bisher gewohnt war. Stadionindierock. Für alle. Für Fans von Fußball und Eishockey, von Flat White und Pale Ale, von Doc Martens und Turnschuhen. Warum wir vor Japandroids alle gleich sind? Nun, weil die zwei zwar nicht die Retter des Indierock sind – dem geht es gut, der muss nicht gerettet werden –, dafür aber sein gutes Gewissen. Da kann man gerne mal länger auf ein Album warten.
weitere Platten
Fate & Alcohol
VÖ: 18.10.2024
Massey Fucking Hall
VÖ: 19.06.2020
Celebration Rock
VÖ: 08.06.2012
No Singles
VÖ: 14.05.2010
Post-Nothing
VÖ: 11.09.2009