Zorn, Wut und Frustration waren die Antriebsfedern für Dave Lombardo, um Dead Cross unter den Eindrücken des Terror-Anschlages auf den Pariser Club Bataclan zu gründen und mit Justin Pearson, Michael Crain und Gabe Serbian (The Locust, Retox) ins Studio zu gehen. Die persönliche Enttäuschung über die Umstände seines Abschieds aus dem experimentellen Post-Hardcore-Projekt Philm hat dabei zusätzlich persönliche Gefühle aktiviert. Aus künstlerischer Sicht sind das wunderbare Beweggründe, um Höchstleistungen zu vollbringen, denn wenn geniale Musiker ihre Kreativität bündeln können und sich auf ein klares Ziel fokussieren, entstehen häufig ihre besten und eindringlichsten Werke.
Dass nach dem Ausstieg von Serbian dann auch noch Lombardos alter Fantômas-Kumpel Mike Patton als Sänger dieser Kooperation einspringt und das bereits komplett fertige, von Ross Robinson produzierte, Debütalbum neu einsingt, ist dann noch das vielbeschworene Häubchen auf dieser mit Leidenschaft zu Matsch gekloppten Sahnetorte. Für Patton eine bekannte Situation, die er in ähnlicher Form bereits von seinem Einstieg bei Faith No More oder der Zusammenarbeit mit The Dillinger Escape Plan kennt. Musikalisch ist Dead Cross zwar weder mit “The Real Thing” noch “Irony Is A Dead Scene” vergleichbar, doch die zeigten bereits, wie mühelos sich der Sänger in kürzester Zeit auf bereits eingespielte Bandkonstellationen einlassen kann und ihnen dennoch seinen unverkennbaren Stempel aufdrückt. Vielleicht ist der Durchschnittswert dieser beiden Alben aber auch gar keine so schlechte Referenz für das, was Dead Cross repräsentieren, denn anders, als man es bei einer solchen Konstellation aus genialen Musikern, die gerne zu Extremen tendieren, hätte erwarten können, badet das Album eben nicht in einem Chaos aus Dissonanzen und Gekreische, sondern setzt diese Stilmittel wohldosiert ein. Über weite Strecken ist es eben ein ziemlich straightes, wenn gleich virtuos gespieltes Hardcore-Punk-Album, das von seiner Energie, aber eben auch von Pattons variabler Stimme und großen Melodiebögen lebt, die er als Gegenpol zur Robinson-Produktion nahezu im Alleingang in seinem Kellerstudio eingesungen hat, um die notwendige Schmutzschicht zu gewährleisten.
Acht der zehn Songs brauchen nicht länger als drei Minuten und eröffnen in diesem Punk-Mikrokosmos dennoch Dimensionen, die das Genre sprengen. Das zentral platzierte, brillante Bauhaus-Cover “Bela Lugosi’s Dead” fügt dem zornigen Hauptthema des Albums eine weitere mulmige Facette hinzu, die das Gesamtbild abrundet. Denn natürlich ist Dead Cross auch ein wütender Kommentar zu Amerika unter Trump, einer allgegenwärtig geschürten Angst vor Bedrohung und Eskalation und einer Welt aus den Fugen. Das geistige Erbe des Genres verpflichtet schließlich.
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II
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Dead Cross (EP)
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