Das besteht, wie so oft, zu großen Teilen aus blassen Mittelschichtkids, die Rassismus vor allem theoretisch falsch finden, aber Franklin James Fisher ist ja da, um ihnen ein bisschen Seele einzuprügeln. Wie schon auf ihrem nach der Band benannten Debüt von vor zwei Jahren werfen Algiers auch auf “The Underside Of Power” Gefühle und Haltungen aus Northern und Southern Soul, Postpunk, Industrial-Gospel-Noise-Funk und experimentellem Elektro-R’n’B so durcheinander, dass es Angst macht. Gut so. Algiers, deren Gründungsgeschichte zwischen den Südstaaten der USA und London spielt, schreiben Songs, zu denen man verbissen tanzen muss, weil wir fürs Lockermachen nun mal in der falschen Welt leben. “They’ll say our whole life is a locust”, singt Fisher etwa im hastigen “Cry Of The Martyrs”, “Disturbing their fascist peace/ But it is they who mangle our horizons/ Of our defeat at Cavalry”, und lässt zwischen den Strophen nur ein paar Sekunden Platz für verstörte Fake-Streicher, bevor es umso härter weiterkracht. In “Cleveland” zählt er die Namen ermordeter schwarzer Menschen auf und lässt seine Band wie eine Gemeinde jeden davon mit demselben Refrain beantworten: “We’re coming back.” Wie er seine Stimme immer wieder vom heiseren Murmeln bis zum Anti-Gospel spannt, ist schon beeindruckend genug; dank der restlichen Instrumente, die dazu klimpern, orgeln, rauschen, crashen, quietschen und mit allen Gliedmaßen gleichzeitig um sich boxen wie die kleinste Punkband im größten Käfig, wird ein Manifest daraus. Wenn man “The Underside Of Power” etwas vorwerfen will, dann dass es zu vielseitig ist, mit jedem Song unbedingt den nächsten Tausendmeilensprung machen will und dabei manche Idee eher anreißt, als sie auszuführen. So ist das, wenn man sich keine Zeit für Besonnenheit leisten kann und beispielsweise das sich mysteriös und rein instrumental auf einen Abend im alternativen Elektroclub einstimmende “Bury Me Standing” schon nach unter zweieinhalb Minuten wieder abbrechen muss, um dahinter noch das dringende Abschlussstück “The Cycle/The Spiral: Time To Go Down Slowly” unterzubekommen. “The Underside Of Power” ist kein Album, das einen an die Hand nimmt; es wirft sich mit voller Kraft gegen seine Hörer und schaut dann mit verschränkten Armen zu, wer stehenbleibt. Sonst lernen sie es ja nie. So sehr die Songs von Algiers auch in die Beine gehen, so wenig ist das als Einladung für die Arme zu verstehen. Die Faust muss man sich erst mal verdienen.
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