Mogwai
Every Country's Sun
Text: Juliane Kehr | Erschienen in: VISIONS Nr. 294
Nachdem die Schotten zuletzt den Soundtrack zur Fernsehdokumentation “Atomic” aufgenommen hatten, war es nun an der Zeit, sich von der Vertonung bereits vorhandener Bilder ab und dem Heraufbeschwören neuer Bilder durch die eigene Musik zuzuwenden. Der dritte Song auf dem neunten Album der Postrocker, “Brain Sweeties”, bringt es auf den Punkt: Mit hauptsächlich instrumentalen Klängen werden die Synapsen zu einem Dauerfeuer veranlasst, dass detailliert ganze Welten vor dem inneren Auge entstehen lässt, während die restlichen Körperfunktionen deutlich entschleunigt werden. Auf “Every Country’s Sun” fahren die Schotten den Einsatz elektronischer Klangmittel wieder deutlich zurück. So streifen die zartnebulösen Synthies im Opener “Coolverine” den einsetzenden Bass nur ganz vorsichtig und wachsen erst nach und nach gemeinsam mit der, durch hörbare Lagenwechsel kletternden Akustikgitarre zu zwei sich gegenüberliegenden Soundwänden an. Von diesen prallt im weiteren Verlauf des Songs das hölzerne Schlagzeug ab, während die pulsierend anschwellende Melodie längst die eigene Fantasie befeuert hat und nicht nur die Vorstellungskraft, sondern auch die Wahrnehmungsfähigkeit schärft.
Das darauffolgende “Party In The Dark” überrascht mit schnellerem Tempo und Stuart Braithwaites Gesang, der wie ein zunächst nur undeutlich erkennbares Meerestier aus der Tiefe an die Wasseroberfläche steigt. Ein weiteres Highlight ist “aka47”. Das schleicht sich perlend an, öffnet sich dann, webt Gitarren ein und erzeugt mit minimalen Klangjustierungen, weit im Hintergrund des Soundkonstrukts kaum hör-, aber direkt spürbar, enorme Spannung. Gelöst wird sie ganz plötzlich und durch einen einzigen Akkord. Mit aufgeraut-fuzzigen Sounds beginnt dagegen “Battered At A Scramble”, um nach längerem Schürfen mit einem Tempowechsel ein Labyrinth aus kreischenden Gitarren freizulegen. Einmal losgelassen, wütet das Gitarrenbiest auch im folgenden “Old Poisons” weiter, das gegen Ende beschleunigt und vom Chaos zurück zu Mantra-artigen Melodiebögen findet. Während man noch nach würdigen Worten für den abschließenden Titelsong sucht und dabei unbewusst darüber nachdenkt, ob der von diffusem Licht begleitete Gewitterschauer vor dem Fenster auch losgebrochen wäre, hätte man gerade die neue Arcade Fire-Platte gehört, hat das Suchen in dem Moment ein Ende.
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