Stolz wie Bolle war Amplifier-Chef Sel Balamir aufs Crowdfunding und den Eigenvertrieb des Doppelalbums “The Octopus”. Danach gab er aber zu Protokoll, eine derart kräftezehrende Prozedur so nicht noch einmal mitmachen zu wollen, selbst wenn das Ergebnis wider Erwarten kreativ rundum zufriedenstellend ausfallen sollte. Auf den Folgealben rockte die Band gelöster und überraschend vielfältig, man höre nur “Between Today And Yesterday” von “Echo Street”, eine waschechte Hommage an Crosby, Still, Nash (& Young). Das lag zum einen am Neuzugang und Harmoniewunder Steve Durose, frisch von den schmerzlich vermissten Oceansize zur Tour und später fest zur Band hinzugestoßen, zum anderen an Balamirs Selbstverständnis als Musiker, der sich zutraut, auch jahrelang liegengebliebene Demos noch veredeln zu können. Ebendas geschah mit “Silvio” aus den “Octopus”-Sessions. Gemeint war Signore Berlusconi, damals mal wieder der machiavellistische Ministerpräsident Italiens. Dessen Ausschweifungen und Arroganz veranlassten Balamir zum Vergleich mit Goethes berühmtem Protagonisten Heinrich Faust – ein Individuum, das am Ende glimpflich davonkommt, seine sexuelle Begierde aber keinesfalls zurückhalten will. Die Stoßrichtung stand fest: Ein psychedelisches Treiben frei entlang der Vorlage, auf der Suche nach des Pudels Kern in jedem von uns, denn natürlich ist auch der Frontmann nicht frei von Hochmut. Ungeniert und im allumfassenden Glauben an die Qualität seiner Kunst gebiert er sich auf den Clubbühnen des Kontinents und geht der Gretchenfrage einfach mit größtmöglicher Diversität von “Anubis” bis “Freakzone” aus dem Weg. Egal, als die Band in ihrem sagenhaft dilettantischen Newsletter das erste Video zu “Kosmos (Grooves Of Triumph)” präsentierte, war die Vorfreude schon wieder groß. Menschenskind, wie völlig bei sich müssen diese vier Ausnahmemusiker gewesen sein, wenn sie den treibenden Wüstensound der frühen Jahre und das Psychedelische der achtarmigen Ära derart präzise vermählen konnten? Besonders “The Commotion (Bigh Time Party Maker)” kann sein Songwriting-Potential voll ausschöpfen: Der Bass rollt voran und das Riff tanzt durchs Herz, als wäre es ein Flummi auf Morphium in einem leeren Ballsaal. Darüber spinnt Balamir seine Parabeln vom Tumult in Manchesters Äquivalenten zu Auerbachs Keller. Sel, uns graut vor dir! Bitte genauso weitermachen.
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VÖ: 15.03.2013
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