Interessant ist dabei, dass das Powertrio nicht etwa die atmosphärischen, geradezu poppigen Momente des Vorgängers “Kontakt” gnadenlos ausweitet und seinen Sound weiter in Richtung Gefälligkeit und Zugänglichkeit steuert. Vielmehr streut die Band ordentlich Sand ins Produktionsgetriebe, weshalb es an manchen Stellen herrlich knirscht und schabt. Ein perfektes Beispiel dafür liefert bereits der erste Song “Südwärts”. Sich stetig auftürmendes Gitarrenfeedback untermalt das unglaublich wuchtige Schlagzeug von Frank Schophaus, das den Takt nicht nur für den Song, sondern die restliche Platte angibt. Die Toms donnern, die Snare hallt satt durch den Raum und die Becken scheppern um die Wette: “Couleur” ist deutlich stärker auf Krawall als sein Vorgänger. Das spiegelt sich auch im Text wider. Gitarrist und Sänger Chris Hell skandiert Zeilen wie “Nichts was gut ist, tat nicht vorher weh” oder “Rückwärts war nie vorgesehen” und gibt damit die Richtung vor. Pointierte Post-Rock-Melodiebögen wechseln sich mit rockaffinen Gitarrengrooves ab, womit der Opener stellenweise an Kosslowski erinnert, die vorherige Band von Bassist David Frings – eine nicht wirklich vorhersehbare, aber willkommene Abwechslung. Allzu einfach machen es die Aachener dem Hörer allerdings nach diesem Auftakt nicht. Denn “Couleur” ist mehr als nur ein düsteres Abziehbild der Vorgänger. Vielmehr probiert sich die Band aus: Das getriggerte Schlagzeug-Intro zu “Magnifique” hat beinahe schon Industrial-Charme, der durch die ineinander verwobenen Postrock-Singlenotes Frischluft atmet, “Eden” experimentiert mit Keyboards und Samples und in “Zutage” nimmt ein melancholisches Piano mindestens so viel Raum ein wie die restlichen Instrumente. Das Kernstück der Platte allerdings bleibt “Raison”, ein Quasi-Nachfolger von “Paroli” vom 2016 erschienenen Vorgänger “Kontakt”. Nicht nur wegen des ungewohnten Beats, der in seiner Bedrohlichkeit und geradeaus eingedroschenen Rhythmik an Marschmusik erinnert. Auch der Text, der das für die Platte zentrale Thema der mangelnden Kommunikation, die “Renaissance des Nächstenhass – und der Zensur” aufgreift, spricht eine deutliche Sprache. Und wenn Frings von “1933 Gründen schwarz zu sehen” spricht, ist klar, wo sich Fjørt politisch positionieren. Hell hingegen wird im direkt danach folgenden “Windschief” persönlich und bekennt sich zu seinen Depressionen als “Gedankenpest”, womit auch endlich der Schleier fällt, der die Band bislang sowohl nicht an- als auch nicht greifbar gemacht hat. Die lobenswerten, aber auch offensichtlichen Aussagen hinsichtlich freier Meinungsäußerung und dem Aufstehen gegen den Rechtspopulismus sind von Fjørt zu erwarten gewesen. Die neue Direktheit von Songs wie “Windschief” aber ist es, die “Couleur” letztendlich zu einem herausragenden Album macht.