Wie ein guter Coming-of-age-Film beweist Kate Nash, wie wichtig die Gefühle von Teenagern sind. 2007 wird aus der Myspace-Sensation in kürzester Zeit ein gigantischer musikalischer Erfolg: Die Musikindustrie findet in dem Konzept Teenie-Girl vertont ihre niedlichen Tagebuchgeschichten ein gefundenes Fressen. Viele ihrer neugewonnenen Fans finden ihr Debütalbum zu Recht unheimlich gut und sich angesprochen – doch Nash selbst fühlt sich als gerade 20-Jährige wie das einfältige Mädchen behandelt, während gleichaltrige männliche Musiker für ihren Mut und ihr Talent gelobt werden. Zehn Jahre und viele berufliche wie persönliche Auf- und Abs später trumpft Nash wieder mit dem Tagebuch-Konzept auf, ohne dass sie irgendein Idiot dafür belächeln könnte: Angeblich gefühlsverlorene Teenager haben eben wichtige Geschichten zu erzählen, von denen man als erwachsene Person etwas lernen kann. Das tut sie selbst mit dem erneuten Blick in ihre Tagebücher. Zur Stilcollage aus Punk, Pop und RnB singt Nash unverblümt von konkreten Ereignissen aus den Leben Jugendlicher, und es geht nicht nur um die dringende Aufarbeitung gebrochener Herzen und überwältigender Emotionen, sondern auch um Depressionen und Selbstmordgedanken wegen des Gefühls, nicht gut genug für die Welt zu sein. Das ist an keiner Stelle possierlich, sondern brutal ehrlich und wichtig für alle jungen Menschen, deren Gefühle für naiv gehalten und nicht ernst genommen werden – Nash macht, was bei ihr versäumt wurde.
Gerrit Köppl 9/12
Kate Nashs Leben ist wieder rosarot. Schade, dass sich das in seichtem Pop äußert, der Kratzbürstigkeit vortäuscht. Auf “Yesterday Was Forever” entdeckt Nash ihr Herz für luftigen Pop wieder, das sie zwischenzeitlich unter schrammeligem Garage-Indie verschüttet hatte. Offenbar musste sie erst alle Verbindung zu ihren “Foundations” abschneiden, um es wiederzuentdecken. “Life In Pink”, der Opener ihres zweiten in Eigenregie veröffentlichten Albums, bringt Popappeal und Indierock-Gitarren so gut unter einen Hut, dass man kurz Hoffnung schöpft, Nash hätte den Schlüssel zu ihrem Meisterwerk gefunden. Die Hoffnung verfliegt mit dem folgenden “Call Me”, dem man mit der richtigen Produktion ein maybe hintanstellen könnte. Von hier aus geht es immer tiefer hinein in die Schokoladenfabrik Pop, in der alles mit extrasüßer Glasur veredelt wird – allerdings nur mit einer Sorte: Waldmeister. “Hate Me” etwa wirkt, als wäre es im Demostadium stehengeblieben und wartete jetzt darauf, dass es eine Rita Ora, für die Nash Songs geschrieben hat, zu Überlebensgröße aufpumpte. Nur: Pop lebt eben genau davon, und wenn das fehlt, bleibt nur noch etwas Dünnes, Verwässertes, das altbacken und unzeitgemäß klingt. Von möglichen subversiven Momenten, die Nash mit ihren dezidierten Standpunkten zu Feminismus und Selbstbestimmung durchaus setzen könnte, bleibt da nicht viel übrig. Das einzige, worauf nach diesem viel zu langen und teilweise läppischen Album Verlass ist, ist Nashs unstetes Wesen. Ihre nächste Häutung kommt bestimmt.
Florian Schneider 5/12
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