Musikalisch steht “Nackt” solide da: Produzent Kurt Ebelhäuser hat den Kölnern einen wuchtigen, aber warmen Sound verpasst. Hier klingt alles ein wenig voller und poppiger als bei Nordpunks wie etwa Turbostaat, die sich ähnlich, aber kühler gegen den Wind des Lebens stemmen. Dazu passt, dass es bei Liebe Frau Gesangsverein seltener um die großen Übel der Welt geht als um das persönliche Empfinden: Wer sind wir, woher kommen wir und was macht das Leben mit uns? Die Antworten fallen im guten Opener “Es tut mir leid” oder dem mächtig drückenden “Schwarzes Brett” stürmisch aus, die Gitarren schäumen um die Stimme herum, in “Für immer wieder” oder “Lunapark” strömt dagegen alles melancholischer dahin – bei Liebe Frau Gesangsverein gären Oma Hans im Untergrund, an der Oberfläche brechen sich Matula Bahn. Spalten wird die Hörerschaft Sängerin Ricarda Giefer: Den einen wird sie als kommende Erzählerin des Punks gelten, deren dezent spröde Stimme mit den krummen Versmaßen und sehnsüchtigen Metaphern aus einer tristen Gegenwart große Gefühle herauskitzelt. Andere werden die nostalgisch gefärbten Texte als bemühte, verkitschte Zeitgeist-Poesie abtun. Anstrengend wird es textlich vor allem in “Letzten Mai”, aber das Problem mit “Nackt” ist umfassender: Gegen Ende fehlen insgesamt Ideen, die dieses ambitionierte Debüt über die Zeit tragen könnten, “Rückwärts verlieben” etwa bleibt auf Standard-Punkrock hängen. Aber: Mit dem an Pascow geschulten “Erfunden” passiert vorher auch ein grandioser Song, der für ein zweites Album hoffen lässt.