Die Kalifornier hatten vor zehn Jahren mit ihrem Vierfach-Konzeptalbum über Feuer, Wasser, Erde und Luft ein unglaublich durchdachtes Musikepos vorgelegt. Danach loteten sie mit “Beggars” und “Major/Minor” vor ihrer Bandpause neue Richtungen aus, in die sie sich musikalisch entwickeln konnten – und das findet auf “Palms” auch Einfluss –, doch so inhaltlich dicht wie auf “The Alchemy Index” wurde es nicht mehr. Bis jetzt: Es geht um Hände als sehr vielfältig einsetzbare Metapher. “Palms” (zu Deutsch: Handflächen) verfügt über so viele Songs wie beide Hände zusammen Finger haben – und jeder von ihnen dreht sich explizit um Dinge, die man mit den Händen macht oder nutzt die Hand metaphorisch als zentrales Element. Im Opener “Only Us”, der von der vorherrschenden Wir-gegen-sie-Mentalität handelt, wählt Sänger Dustin Kensrue die Faust als Mittel zur Gewalt und das Handauflegen als religiöses, segnendes Symbol. In “The Grey” streckt er seine Hand geöffnet aus, um fremde Ideen und Ansichten in seine Welt zu lassen. In “Branch In The River” klammert er sich an den Ast im reißenden Strom, aus Angst vor dem Ungewissen, das ihn flussabwärts erwartet.
Atemberaubend spürbar machen Thrice das geschlossene Händehalten, den bildlichen Zusammenhalt verschiedener Menschen im Song “The Dark”, ohne ihr Leitmotiv explizit zu nennen: Im Outro singen über tausend Stimmen die Zeile “No we’re not gonna sit in the dark anymore”, um sich laut gegen Ausgrenzung und Unterdrückung zu wehren. Thrice hatten während der Produktion einen entsprechenden Aufruf gestartet und Fans um die Zusendung einer Aufnahme gebeten, die Mühe hat sich gelohnt. “Palms” ist musikalisch etwas konservativer als das komplett seinem Konzept verpflichtete “The Alchemy Index”. Trotzdem betreten Thrice mit den pulsierenden, Industrial-artigen Synthesizer-Arpeggios gleich in den ersten Sekunden neues Gebiet. “Everything Belongs” ist eine Pianoballade im Sieben-Viertel-Takt mit Post-Rock-Atmosphäre, Schlagzeuger Riley Breckenridge drischt in “The Dark” auf Orchesterpauken ein, Kensrue singt ein traumhaftes Duett mit Emma Ruth Rundle in “Just Breathe” und das vorletzte Stück “Blood On Blood” wird aus heiterem Himmel von einem Harfensolo verfeinert – so unkonventionell schön klang zuletzt die Spieluhr auf “Music Box” (von “Vheissu”). Als Ganzes klingt “Palms” aber vor allem: vertraut. Auf dem Jubiläumswerk kulminiert fast jeder Sound, den Thrice in zwei Jahrzehnten Bandgeschichte erforscht haben.
weitere Platten
The Artist In The Ambulance (Revisited)
VÖ: 01.02.2023
Horizons/East
VÖ: 17.09.2021
Deeper Wells (EP)
VÖ: 13.04.2019
To Be Everywhere Is To Be Nowhere
VÖ: 27.05.2016
Anthology (Live)
VÖ: 12.10.2012
Major/Minor
VÖ: 06.09.2011
Beggars
VÖ: 09.08.2009
Live At The House Of Blues
VÖ: 12.12.2008
The Alchemy Index Vols. III & IV: Air & Earth
VÖ: 15.04.2008
The Alchemy Index Vols. I & II: Fire & Water
VÖ: 16.10.2007
Red Sky EP
VÖ: 04.04.2006
Vheissu
VÖ: 17.10.2005