Die ernüchterndste Erkenntnis der neuen Keele-Platte liegt vielleicht darin, dass seit dem Debüt des Quintetts vor zwei Jahren nichts einfacher geworden ist. Die namensgebenden kalten Wände sprechen im Opener und Titeltrack von Depressionen als erdrückendem Gefühl, das die Band in bitteren Zustandsbeschreibungen ausdrückt: “Und all die selbsternannten Profis/ Kennen dich besser als du selbst./ Die sollen ihr Candy behalten/ Für ihre Zuckerschneckenwelt”. Der Scherbenhaufen aus eigenen Emotionen ist ein Dauergast auf “Kalte Wände” und sorgt dafür, dass sich die elf Songs des Albums so hervorragend mitfühlen lassen. Der Soundtrack dazu gewinnt keinen Innovationspreis, ist aber gleichsam versiert wie ausdrucksstark gestaltet. Im Gegensatz zu Emo-Punk-Zeitgenossen wie Shoreline oder Spanish Love Songs klingen Keele noch eine Spur sphärischer und weniger kaltschnäuzig. Im Großen führt das zu einem homogenen Gesamtkunstwerk, im Detail zu einer Platte, die die verschiedenen Facetten des inneren Gefühlschaos in unterschiedlichen Graustufen beschreibt. “Schwarze Decken” gerät so zu einer mutmachenden Hymne mit kraftvollem Refrain, während “Panem” mit seinem gehetzten Duktus pointiert die Schlachtfelder in Online-Kommentarspalten beschreibt. Die Schwere der Texte kann dabei durchaus niederschlagen – vor allem, weil Keele in “Zwischen toten Nerven” selbst nur einen unbefriedigenden Ausweg finden: Nicht alles hinzunehmen, heißt so viel, wie zu lernen, damit umzugehen.
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VÖ: 28.04.2017