“Everything Is A-OK” ist das bereits fünfte Album des seit 2004 in unveränderter Besetzung bestehenden Quartetts aus Brisbane und wird in Australien mit Sicherheit ähnlich einschlagen wie sein Vorgänger “Waco”, der damals auf dem ersten Platz der Aria-Charts landete. Hierzulande sind sie nicht annähernd so bekannt, während ein Slot im Vorprogramm bei einer ihrer Australien-Tourneen für Bands wie Press Club oder Waax einen garantierten Karrieresprung nach sich ziehen würde. Wir hatten Violent Soho erstmals 2019 gesprochen, als sie zur Grunge-Compilation in VISIONS 313 den Song “Tindersticks” beisteuerten – und da gab Schlagzeuger Michael Richards schon zu: “Wir wären ohne Nirvana heute nicht hier”. Gute Selbsteinschätzung, das beweist auch das neue Album sofort: Der Opener “Sleep Year” knallt direkt los mit lautem, bombastischem Schlagzeug, dann kommen gnadenlos übersteuerte Gitarren dazu, die die beiden Gitarristen so malträtieren, dass sich die Saiten hörbar biegen. Die Stimme von Frontmann Luke Boerdam erinnert ein wenig an die von Billy Corgan oder Black Francis, so sehr, dass Pixies-Vergleiche bei der Single “Lying On The Floor” und der (fast-)Akustik-Ballade “A-OK” zwingend sind. Man hört die Parallelen auch im Song “Pick It Up Again”, wobei sich in dieses Highlight dann ein J Mascis-Gedächtnis-Solo schleicht, das fröhlich bis zum Ende des letzten Refrains im Hintergrund weitergniedelt. Und wenn das alles nicht genug für eine Zeitreise in die Alternative-Hochphase wäre, kommen auch noch die Musikvideos zum Album im lupenreinen MTV-Look daher. Genug im Gestern geschwelgt: Violent Soho singen aus dem Hier und Jetzt heraus. “Everything Is A-OK” ist vollgeladen mit Millenial-Ängsten, von denen die musikalischen Vorbilder höchstens eine Vorahnung hatten. Die besten Zeilen, mit denen Boerdam dieses anhaltende unsichere Bauchgefühl beschreibt, das alles andere als “A-OK” ist, stecken im Song “Vacation Forever”: “Cause I packed my bags, and I drained my veins and I got my reasons seen/ Cause I got no car, and I got no house but I kept the garden clean/ Theres a baby boomer across the street and it wont stop staring at me/ Vacation life, forever in strife, Ill leave the family, I just wanna be”. Im Stich gelassen von einer älteren Generation, die einen nicht mehr haltbaren Lebensstandard idealisiert, verpackt Boerdam seinen Frust und seine Verdrossenheit in zynische Slacker-Poesie. Die überhört man erstmal, weil man sich zur so oft zurückgelehnten Musik instinktiv mit einer kalten Kanne Coopers beim Grillen auf der Terrasse sitzend wähnt. Das ist aber nicht halb so schön, wie es klingt, wenn dank des menschengemachten Klimawandels monatelang der Busch brennt, das Pint Bier im Schnitt rund acht australische Dollar kostet und das Kabuff, das man sich in der Großstadt gerade so leisten kann, ohnehin keinen angeschlossenen Garten hat. “A-OK” ist bloß die Tatsache, dass die gleichen vier Highschool-Freunde 18 Jahre nach der Bandgründung noch Katharsis in ihrer Musik finden.
weitere Platten
Waco
VÖ: 18.03.2016
Hungry Ghost
VÖ: 30.09.2014