Steve Albini ist mit Sicherheit einer der letzten glaubwürdigen Idealisten, die das Haifischbecken Musikindustrie noch zu bieten hat. Ungehindert von Trends, hohlen Marketingformeln oder gleichmachenden Einheitssounds hält er wie ein Linienrichter die Fahne hoch für seine ursprüngliche Vision von Musik, die ohne Promo-Copies, marktschreierische Anzeigenschaltungen und euphemistische Band-Bios auskommt. Es ist immer noch weitgehend unkommerzieller und perfekt produzierter Krach, was der Herr der 1000 Knöpfe von sich gibt, aber das ist verdammt gut so. Ich liebe diesen Sound – kein anderer Produzent der Welt bekommt so einen fetten, transparenten und authentischen Drumsound hin, zu dem krächzende Gitarrenspuren, monotones Bassgeflimmer und phrasenhafte Vocalspuren hinzugemischt werden. 1983 erschien die erste EP seiner ersten Band Big Black auf dem kleinen Chicagoer Label Touch And Go, und 17 Jahre später veröffentlicht Albini seine Scheiben immer noch dort – so viel konsequente Treue rührt. Auch musikalisch hat sich im Prinzip seit dieser Zeit nicht viel Entscheidendes verändert; Shellac verchromen wiederum die zynischen und pessimistischen Großstadt-Visionen zu einem mächtigen Turmbau zu Babel. Modernes Ghettoleben wird mit seinen Sünden reflektiert, hier wird ein Leitfaden für Außenseiter angeboten, die ihren Trost in kaputten Gitarrenriffs finden können. Über die formale Präsentation seiner Band referiert Albini genauso unverblümt wie über seine Produzententätigkeit – nämlich so gut wie gar nicht. Für ihn stellt sich die Promotion-Arbeit der Musikindustrie als eine andere Art von Lüge da, er will nicht von einem Radiopromoter als besonders, einzigartig oder großartig angepriesen werden, um eine Woche später zu erfahren, wie dieselben Attribute zugunsten einer anderen Band ausgetauscht wurden. Musikalisch wird per Schleudergang das Grundgerüst von britischen New Wave-Bands wie Wire oder Gang Of Four zerschreddert, metallisch veredelt und zu schlechter Laune kultiviert. Dieses Album ist gegenüber seinen beiden Vorgängern in seiner Gesamtheit athletischer und vitaler ausgefallen, nicht so sperrig wie “At Action Park” und nicht so verzwickt wie “Terraform”. Der Opener “Prayer To God” beispielsweise rollt und groovt so dermaßen, dass man bei seiner tänzelnden Einfachheit fast die bitterbösen Mordphantasien der Lyrics übersieht. Über Stock und Stein streckt sich der Faden weiter über insgesamt zehn Tracks, bis am Ende fest steht: “1000 Hurts” ist neben dem aktuellen Queens Of The Stone Age-Album das aufschlussreichste Zeugnis in Sachen Rockmusik des laufenden Jahres.
Der Opener Prayer To God beispielsweise rollt und groovt so dermaßen, dass man bei seiner tänzelnden Einfachheit fast die bitterbösen Mordphantasien der Lyrics übersieht. Über Stock und Stein streckt sich der Faden weiter über insgesamt zehn Tracks, bis am Ende fest steht: 1000 Hurts” ist neben dem aktuellen Queens Of The Stone Age-Album das aufschlussreichste Zeugnis in Sachen Rockmusik des laufenden Jahres.
weitere Platten
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The End Of Radio
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Excellent Italian Greyhound
VÖ: 05.06.2007
Terraform
VÖ: 10.02.1998
At Action Park
VÖ: 24.10.1994