Es ist kein Beinbruch, wenn sich eine Band auf ihre alten Tage – 2021 feierten Alexisonfire ihr 20-jähriges Bestehen – noch einmal umorientiert und Musikstile erkundet, mit denen sie vorher wenig am Hut hatte. In den meisten Fällen lehnen sich Künstler:innen dann allerdings eher zurück, werden altersmilder, langsamer. Zumindest letzteres trifft auch auf “Otherness” zu, das seinem Namen mehr als gerecht wird. Denn viel Dynamik steckt nicht in den zehn Songs, die sich meistens in gemächlich-groovigem Midtempo dahinschleppen. In anderer Hinsicht ruht sich die Band dagegen absolut nicht aus, sondern kanalisiert die Intensität einfach in andere Bahnen. Wo früher treibende 00er-Jahre-Emocore-Riffs an der Rhythmusfraktion aus Schlagzeuger Jordan Hastings und Bassist Chris Steele entlanggaloppierten, reißen nun Bass und Schlagzeug immer häufiger eine morastige Grube auf, in die Dallas Greens und Wade MacNeils Gitarren mit einem Kopfsprung hineintauchen. Das klingt mal nach dem grungigen Alternative der Kollegen von Thrice wie im von Greens hervorragend in Form geschliffener Stimme getragenen “Sweet Dreams Of Otherness”. Mal wird es dank Shouter George Pettit punkig wie in “Conditional Love” – der erste Song der Platte, auf dem Alexisonfire mal etwas aufs Gaspedal drücken. Diese neue Langsamkeit steht den Kanadiern allerdings hervorragend, schließlich kommen so etwa Zeilen wie “It’s easier to love someone else/ Than to be kind to yourself” und die nerdige “Herr der Ringe”-Hommage “I’m glad you’re here with me at the end of all things” aus “Sans Soleil” besser zur Geltung. Wem in den neuen Songs zu wenig alte Alexisonfire-DNA steckt, bekommt in “Reverse The Curse” mit seinem Post-Hardcore-Drive ein bisschen Oldschool-Vibes geliefert, vor allem im hymnischen Refrain. Auch das zurückgenommene “Blue Spade” erinnert trotz doomigem Intro an die ruhigeren Momente ihrer frühen Platten. Letztlich ist “Otherness” aber sowohl Plattentitel als auch Programm. Die Band, von der niemand ein neues Album erwartet hätte, begnügt sich nicht mit altem Wein in neuen Schläuchen, sondern breitet nach 20 Jahren noch mal die Flügel aus. “Which side are you on?” fragen Alexisonfire schon im Opener – und es fällt schwer, sich nicht auf die Seite der Post-Hardcore-Veteranen zu schlagen.
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