Sieben Titel befinden sich auf dem genialisch zwischen zeitgemäßem Pop-Programming und opulentesten Orchestrierungen vermittelnden Juwel, und einer nimmt dich nachdrücklicher mit auf lange, traumatische Gefühlstrips als der andere. Dabei ist es Björk gelungen, die Lebensumstände der nach und nach erblindenden Selma unmittelbar in die Musik einfließen zu lassen, indem etwa Alltagsgeräuschen eine tragende Rolle zugewiesen werden. Am faszinierendsten tritt dieser Aspekt im sperrigsten Stück der Platte zutage: Eingeleitet von einem aus Industrieklängen erzeugten Loop, der eine nicht nur ideelle Nähe zur Geräuschkunst (“Bruitismus”) der italienischen Futuristen sowie in deren Folge zur Musique Concrète erkennen lässt, entblättert sich “Cvalda” plötzlich und mutiert zu einem rhythmisch hochkomplexen, treibenden Musical-Bastard, der bei jedem Hördurchlauf tiefere Schichten offenbart – auf den Schwingen dieser von Hingabe geprägten Stimme. Als ob jene noch nicht genug wäre, entpuppt sich “I’ve Seen It All” als wunderschöne Zwiesprache mit Thom Yorke, der hier gar noch gebrochener wirkt als bei Radiohead. Dem Pop-Gedanken am nächsten kommt Björk im mit einer fetten Bassline wuchernden “Smith & Wesson (Scatter Heart)”. Das dräuende “141 Steps” schließlich beschwört die dramatischen Filmmusik-Welten Nachkriegs-Hollywoods herauf, bevor “New World” den versöhnlichen Abschluss in einen Grande-Finale-Neuanfang überführt, der wie ein Sonnenaufgang heraufzieht. Spätestens, wenn in der Mitte des Titels der großvolumige Beat einsetzt, ist jeder Widerstand zwecklos. Überwältigt von soviel Reinheit und Reife schweigen wir stille. Zumindest bis zum nächsten regulären Album dieser bezaubernden Frau.