Das vierte Tortoise-Album macht lautstark auf sich aufmerksam. Mit einem bollernd-krachenden Schlagzeug geht das erste Stück “Seneca” weiter. Eine dumpf grollende Bassdrum nimmt den Raum ein, um es kurz darauf dem Tortoise-Universum in der Gestalt von experimentellen Sounds, E-Chembalo und Synthie-Melodien und einer vertrackten Rhythmik zu öffnen. Handclaps setzen ein – es groovt auf “Standards”! Fast von klassischen Songs könnte man sprechen, instrumental natürlich. Tortoise sind zum einen immer noch experimentelle Klangforscher, hier aber vor allem schlicht exzellente Musiker, die auf “Standards” ihr handwerkliches Können unter Beweis stellen. Letzteres hat zur Folge, dass der Zuhörer einigermaßen gefordert ist, denn eher flächige, ruhige Stücke oder Soundcollagen, wie man sie auch von den Chicagoern kennt, findet man sich auf dieser Platte nur selten. “Benway” etwa wird von Ambient-Klängen eingeleitet, um dann alsbald von einer schnellen Bassfigur abgelöst zu werden, die schließlich in eine Jazz-Rock-Passage mit Glockenspiel-Jingle endet. Der Titel “Standards” meint wohl die zum eigenen Standard gewordene eigentümliche Spielweise- und -freude, als auch die Standards an Songs, auf die sich Tortoise auch mit diesem Album beziehen. Die Untiefen des Jazz, des Krautrock und der elektronischen Musik lassen sich auch hier erkennen. Das ist nach wie vor spannend und horizont-erweiternd. Andererseits haben Tortoise aber auch noch nie so manieriert und sachlich geklungen wie auf diesem Album. Ohne die musikalische Leistung schmälern zu wollen: Ein bisschen leidet “Standards” unter der wahnwitzigen Präzision und Perfektion, die es offenbart.
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