Das Weirdo-Klangkollektiv aus Montréal glänzt mit einem weiteren Verkehrsunfall aus Minimal Music, Noise-Sturm und Progressive-Rock-Bombast. Neben Sigur Ròs waren die Querköpfe aus dem Quebecer Abseits anno 2000 die einzigen, die sich mit einem völlig eigenständigen Entwurf den ausgelatschten musikalischen Pfaden verweigerten. “Levez Vos Skinny Fists Comme Antennas To Heaven” besaß nicht nur einen ausufernden Titel – es war auch musikalisch nichts weniger als ein barockes, genialisches Monstrum. Ein durchgeknallter Mammut. Eine viersätzige Sinfonie zwischen Erschaffung und Untergang, bar jeglichen Vergleichs. In Noten gegossener Nietzsche. Zwei Jahre später halten sich Novitäten in Grenzen: Abermals mit Rock-Gerät, Streichern, Blasinstrumenten und Field-Recording-Schnipseln unterm Arm, begeben sich die Kanadier um Efrim Menuck auf fünf weitere Klangtrips, deren dynamische Dramaturgie über 75 Minuten noch immer an klassische Werke erinnert. Stillstand auf höchstem Niveau. Gut, das Ganze ist geringfügig ernster, weniger brachial ausgefallen, und am Pult sitzt Röhren-Freak Steve Albini. Doch selbst das Artwork kommt wie gehabt intellektuell bis erratisch daher: Innen die Bitte, die Platte nicht im Supermarkt zu erwerben sowie – passend zu den äußerst gelungenen ersten beiden Tracks – eine knappe Apologie der Intifada. Die Rückseite des Pappcovers ziert die minutiös nachgestellte Verzahnung von Musik-/Medienindustrie und global agierenden Rüstungskonzernen. Auch wenn “Levez…” die insgesamt bessere, weil noch aufrüttelndere Wahl darstellt, bleiben Godspeed verstörend groß. Die einzige Instrumentalband, die es schafft, politisch zu sein. Irgendwie.
11/12 Patrick Großmann
Manchmal hat man den Eindruck, Godspeed You! Black Emperor werden als Feigenblatt der Relevanz missbraucht, an das sich Rock- und Pop-Kritiker nur zu gerne klammern, um ein kleines bisschen E-Flair in ihre U-Suppe zu zaubern. Es ist aber auch verlockend, wenn selbst der wechselnde Standort eines Ausrufezeichens (diesmal erscheint es nach dem “You”) garantierten Anlass zu stundenlangen Diskussionen über Sinn und Hintersinn der Aktion liefert: politisch motivierte Semantik-Attacke oder doch ein schnöder Druckfehler, der die Unerreichbarkeit von Perfektion paraphrasiert? Die Beschäftigung mit Quasi-Klassik sorgt augenscheinlich so sehr für das erhabene Gefühl, endlich ernst genommen und in der Hochkultur angekommen zu sein, dass man gerne mal nicht so genau hinhört. Wenn eine Band eher als Ereignis, als Statement funktioniert, kommt man mit der vierten Veröffentlichung eben langsam aber sicher in Legitimationszwänge. Auf “Yanqui U.X.O.” findet sich jedenfalls wenig, was man so nicht schon besser von den Kanadiern gehört hätte: “F#A# (Infinity)” und vor allem die famose “Slow Riot For New Zero Kanada”-EP gerieten zur musikalischen Mondlandung und setzten zweifelsohne Maßstäbe, die weit über das Schaffen von GYBE! hinausstrahlten. Da der Mars selbst mit Göttergeschwindigkeit unerreichbar bleibt, steuert man nun mit “Yanqui U.X.O.” abermals den Erdtrabanten an. Das Problem ist: Den kennt man schon…
5/12 Ingo Neumayer
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