Johnny Cash war Jahrzehnte lang einer der – zumindest im Empfinden der allermeisten jüngeren Musikfans – abgesagtesten Country-Fuzzis überhaupt. Zum Zeitpunkt seines Todes galt er jedoch als einer der – zumindest im Empfinden der allermeisten jüngeren Musikfans – mit Abstand coolsten Typen, die das Business in letzter Zeit gesehen hatte. Ob sich die legendäre Honkytonk-Lady Loretta Lynn einen ähnlichen Popularitätsschub versprach, als sie Jack White, den langjährigen Bewunderer und nebenbei Frontmann der aktuell hipsten Rockband des Planeten, engagierte, ihr Comeback-Album zu produzieren? Oder ist der White Stripes-Chef, der bereits mit dem Soundtrack zu “Cold Mountain” seine Kompetenz in diesem Genre unter Beweis stellte, selbst an die mittlerweile 70-jährige Chanteuse herangetreten? Wie dem auch immer war, das Ergebnis dieser Kollaboration überzeugt auf voller Länge. Auch weil White nicht versucht hat, die Sängerin in Richtung der dunklen Cash-Epen zu drängen. Der grandiose, sehr lebendige Countryrock auf “Van Lear Rose” mutiert so zu Lynns vielschichtigstem, inspiriertestem und ganz einfach bestem Werk seit sie mit Platten vom Schlage “Don’t Come Home A Drinkin’”, “Fist City” und “Coal Miner’s Daughter” Ende der 60er/Anfang der 70er eine bis heute für unerreichbar gehaltene Serie hinlegte. Egal ob es sich bei den übrigens komplett selbstverfassten Nummern um den zackigen Rockabilly-Kracher “Have Mercy”, den Bluegrass-Shuffle “High On A Mountain Top”, die Slidegitarren-Schnulze “Trouble On The Line” oder “Portland, Oregon”, ein herrliches, kratziges Duett mit ihrem Producer, handelt: Lynn verströmt mit ihrer Stimme und den narrativen Lyrics noch immer jede Menge Autorität und Charisma. Aber ebenso viel Wärme, dass sie selbst diejenigen unter den Musikliebhabern berühren wird, die jünger als ihre Enkel sind.