Ganz ehrlich: Gedruckt entbehren manche der Lindemann’schen Verbal-Ergüsse nicht eines gewissen Sprachwitzes. Wie Rammstein in “Amerika” mit dem Allmachtsanspruch der Bush-Administration Schlitten fahren, das wirkt zwar kalkuliert, ist aber schon knuffig in seiner am Detail verankerten Direktheit: “Wir bilden einen lieben Reigen/ Ich werde euch die Richtung zeigen/ Nach Afrika kommt Santa Claus/ Und vor Paris steht Micky Maus” – da darf man schon mal wirr kichern. Zumal on top ein dilettantisches Tapping-Lick lockt. Auch des Düsterlings Auseinandersetzung mit den Anfeindungen der ach so bösen Journaille hätte peinlicher ausfallen können als im fast schon avantgardistischen, von Selbstironie geprägten “Los”. Andernorts regiert freilich das übliche hölzerne Kraftmeier-Gestammel – völlig einerlei, ob es dabei um Flugzeugabstürze (“Dalai Lama”), sexuell derangierte Depressionszustände (“Keine Lust”) oder lebendiges Einmauern als ultima ratio amourösen Besitzdenkens geht, wie im überflüssigen “Stein um Stein”. Spätestens wenn Lindemann bei “Ohne Dich” unverfroren das Schlager-Tremolo auspackt und sich an Liebeslyrik vergeht, hört sich alles auf: “Ich werde in die Tannen gehen”, salbadert es über debilem Powerballaden-Einerlei, und dass das Atmen “ach so schwer” falle. Holzhacken hilft vermutlich. Und musikalisch? Es rummst, brettert, stampft im Viervierteltakt durch die märkische Tiefebene wie ehedem und dürfte zwischen Riesa und Cottbus schon bald jede zweite Prolo-Bassrolle zum Tanzen bringen. Steril und von gleichsam bürokratischer Akkuratesse. “Wir müssen leben bis wir sterben”, raunt Lindemann. Ja, so ist das wohl. Bis dahin fabrizieren die Berliner weiterhin warme Luft in überdimensionierten Kanistern.
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