Normalerweise ist das mit Alleingängen ja eine Sache. Im Gestrüpp zwischen Ego-Streichelei, falsch verstandener Experimentierwut und obsoleter Leftover-Verwurstung findet sich selten Bahnbrechendes. Im Falle von Charlotte Hatherley darf indes Entwarnung gegeben werden: Mit tatkräftiger Unterstützung von PJ Harvey-Drummer Rob Ellis sowie Producer Eric Drew Feldman ist ihr eine sonnige Sammlung von Liedern geglückt, der nur selten mal die Puste ausgeht (etwa im richtungslos dudelnden Bratzrocker “Stop” oder dem allzu aufgesetzt grinsenden “Paragon”). Neben Hatherleys gern mehrstimmig vorgetragenen, mit viel Fingerspitzengefühl arrangierten Gesängen ist es nicht zuletzt ihr stets präsenter Hang zu verdrehten Metren, kauzigen Gitarren und Haken schlagenden Songabläufen, der Highlights wie den gleißenden Opener “Kim Wilde”, das flotte “Bastardo” oder das mit tollem Refrain wuchernde “Why You Wanna?” weit über graues Einerlei hinaus hebt. “Quirky” sagen die Briten zu so was. Da können höchstens noch Supergrass mithalten. Der bunt orchestrierte Pop-Lufthauch “Where I’m Calling From” schließlich vermittelt einen ersten Eindruck davon, zu was diese Frau als Songwriterin in Zukunft fähig sein dürfte. Wer mit Ashs Wendung gen US-Hardrock nichts anfangen konnte, liegt hier womöglich goldrichtig.
9/12 Patrick Großmann
Seit knapp acht Jahren darf Charlotte Hatherley bei Ash die zweite Gitarre über die Bühne tragen. Das macht sie passabel, oder doch zumindest eine gute Figur dabei. Doch das schöne Bild der entrückten Außenseiterin ist dahin, zerstört durch eine Solodebüt gewordene Frechheit. Denn Songideen hatte sie für “Grey Will Fade” offenbar nicht im geringsten, und Tim Wheeler wollte ihr keine abgeben. Die meisten Menschen treffen unter der Dusche noch mehr Töne als Charlotte Hatherley im Studio. Und völlig chaotisch arrangiertes Getöse wie in “Paragon” oder “Summer” hört man vielleicht im Zoo, wenn der Pfleger im Gehege seine blecherne Schubkarre vergessen hat. Nein, man kann es nicht als cool verkaufen, nichts zu können, auch nicht unter dem Deckmantel des Indie-Noise-Pop. Denn Liz Phair oder die seligen Blake Babies würden sich für dieses Album in den Boden schämen. Aber Charlotte Hatherley wollte ja dringend von der Ash-Leine gelassen werden. Und macht quietschvergnügt mehr unnötigen Krach als eine Schulklasse, die morgens in die U-Bahn zusteigt. Auch bei Charlotte Hatherley will man gute Miene zum bösen Spiel machen, presst sich ein Lächeln durch die Lippen und bedenkt, wie ach so niedlich sie doch ist. Und am Ende ist man doch heilfroh, dass wenigstens “Grey Will Fade” sich ausschalten lässt.
3/12 Armin Linder
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