Chris Martin war tot. Wenigstens dachte er’s und schwor sich, sollte die Maschine doch nicht abstürzen, mit Coldplay das beste Album aller Zeiten aufzunehmen. Die Voraussetzung dafür ist erfüllt: Martin hat die Flugturbulenzen im Frühling 2004 bekanntlich überlebt, setzte seine Ghana-Exkursion für Make Trade Fair fort und, zurück in England, das Gelobte in Musik um. Was nicht heißen muss, dass der neue Langspieler tatsächlich ihr bester ist. Wohl aber, dass Martin, Jonny Buckland, Guy Berryman und Will Champion ihn für eben das halten. Dafür spricht die seltene Euphorie, mit der sie sich in die Interviews stürzten. Dafür sprechen vor allem jedoch die anderthalb Jahre, die Coldplay in “X&Y” investiert haben und die am Ende zu viel des Guten waren für ihr börsennotiertes Label, das ob der verspäteten Veröffentlichung über Kurseinbrüche jammerte. Sollten nun die um satte Gewinne gebrachten EMI-Aktionäre nachtragend sein, hätten wir sie endlich gefunden: Menschen, die Coldplay verachten, denen beim Denken an DIE Konsensband der Nuller Jahre alles andere als wohl wird. Wahrscheinlich aber wird ihr Groll mit der ersten Minute “X&Y” sowieso ins Gegenteil umschlagen, denn – sagen wir’s, wie’s ist – Coldplay nicht zu mögen, das geht nicht. Dafür sind sie zu clever, zu gutherzig, zu tadellos. Erhabenheit ist zwar nicht das, was man schon auf dem dritten Album einer Band sucht, hier aber dank einer gesunden Verweigerungshaltung gegenüber allem allzu Unbekannten findet. Nicht zufällig hält sich “Speed Of Sound” so eng an “Clocks”, nicht von ungefähr dichtet Martin bevorzugt in längst bekannten Bahnen: Wann immer sich Coldplay musikalisch vom bislang Gewesenen entfernen – mit einem Up-Beat vielleicht oder einer weitflächigen Keyboard-Idee –, scheinen sie ihren Mut zu Neuerung mit dem Festhalten an alten Stärken aufzuwiegen. Dabei steht der Band etwas mehr Kante durchaus gut. Man muss sich nur daran gewöhnen, dass es Coldplay-Songs gibt, deren Schönheit nicht völlig ohne Mühe entdeckt werden will.
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