Beim Interview zum überwältigend brachialen Debüt machten die schwer versierten Konzept-Rocker aus Sheffield noch Hoffnung: Man wisse um die Schwierigkeit und notwendige Arbeit des Hörers, das strukturierte Chaos ihrer Musik zu durchdringen. Fürs Zweite versprach man insofern mehr Konzentration, Klarheit, womöglich sogar Vocals. Flüchtig betrachtet blieb von all dem nichts: ein herrliches Zerlegen von Regeln und Systemen bestimmt auch diese 37 Minuten oder geschätzten 370 einzelnen Songparts. Taucht man hingegen tiefer ein – was jeder lustvoll tun wird, der sich interessiert auf Reisen durch rockmusikalische Randzonen begibt – wird schnell klar: Man hat sich Gedanken gemacht. Instrumentierung und Ansatz wirken bei allem Gezauber zwingender und homogener. Jedem Klang zwischen zermalmender Gitarrenwand, brizzelnder Elektronik-Nervosität und völlig verspultem Extrem-Drumming, jeder raumgreifenden Melodie und nuancenbetonenden Nano-Idee entnimmt man einen stetigen Prozess des Hinterfragens, warum was gerade sein muss. Bei all dem Denken kann man sich aber im Mucker-Labyrinth verlaufen: Wenn man beim Hören häufiger an “komplex und interessant” denkt als an “mitreißend und berührend”, wenn man mehr Achtung vor der Technik als Leidenschaft für die Musik entwickelt, wird’s graduell gefährlich – da ist der Fusion-Filmscore-Prog-Rockoper-Ego-Hirnfick-Hedonismus nicht weit. Dass – zumindest nach den ersten zehn Kontakten – nicht alles auf Anhieb die Nachhaltigkeit einer Langstrecken-Pershing entzündet, ist aber auch schon der einzige Vorwurf an diese Platte. Was man davon abgesehen an Vielfalt, Können und Hörerlebnis geboten bekommt, ist phänomenal.
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