Ambitionierter Instrumental-Rock? Unweigerlich durchzuckt es einen. Man denkt an verwirrte Kunststudenten mit guten Absichten und schlechten Frisuren, ausufernde Jam-Sessions und verquere Songstrukturen, langatmige Liveshows mit ausgedehnten Feedback-Einlagen. So weit das Klischee, denn eigentlich haben bereits genügend Bands bewiesen, dass auch ohne Gesang sehr spannende Musik entstehen kann. Mogwai, Godspeed! You Black Emperor, Tortoise oder Urlaub In Polen zum Beispiel – und in diese Reihe kann man nun auch 65daysofstatic stellen. Musik fürs viel zitierte Kopfkino eben, episch, dramatisch, voller Liebe zum Detail. Dabei bewegt sich das mittelenglische Trio oftmals an der Schnittstelle von Elektronik und Indierock, zu schwelgerischen Gitarrenmelodien wird gern mal der Drumcomputer malträtiert, die Warp-Schule hat hörbar ihre Spuren hinterlassen. Stücke wie “The Fall Of Math” oder “Default This” könnte man sich als Produkte einer Kollaboration von Autechre und Aereogramme vorstellen, “Retreat! Retreat!” dagegen erinnert ein wenig an die spacigen Momente des letzten Six By Seven-Albums – nur eben alles rein instrumental. Bemerkenswert ist dabei in Hinblick auf die Spielzeit von einer knappen Dreiviertelstunde nicht etwa, dass 65daysofstatic in seltenen Fällen die Luft auszugehen scheint – sondern vielmehr, dass dank der weiten Spannungsbögen kaum jemals ein Gefühl der Langeweile aufkommt. Denn das Trio geizt nicht an Ideen, schlägt hier Winkel und Haken, lässt sich dort zu unerwarteten Finessen hinreißen – und hat ganz offensichtlich auch keine Angst davor, den Lärm zu zelebrieren. Da staunen selbst Hörer, die im Zweifel konventionellerer Musik den Vorzug geben. Damit empfiehlt sich “The Fall Of Math” schon jetzt als eines der Alben des Jahres, das einem sicher auch in neun Monaten noch unentdeckte Seiten offenbart.
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