Die Treppe ist steil, und sie kostet Kraft. Viele Stufen sind es, die man als Novize des zweiten Werkes dieser Ausnahmecombo emporsteigen muss. Doch am Ende lockt Licht. Ein gleißendes, jenseitiges, mystisches Strahlen. Am besten fangen wir damit an, was es nicht (mehr) gibt in Maynard James Keenans erratischem Zweit-Universum: griffige Beinahe-Popsongs à la “Orestes” zum Beispiel. Prädominante turmhohe Gitarren-Wogen, die nur noch durch den Chameleon-Rocker “The Outsider”, den Opener und “Pet” pflügen. Das Böse lauert eher unterhalb der Oberfläche, als dass es sich tatsächlich Bahn bräche wie bei Tool. Erstmals als echtes Team agierend, haben deren Sänger, Gitarrist/Hauptsongwriter Billy Howerdel, Neuzugang Twiggy Ramirez (b.) und Schlagzeug-Institution Josh Freese ein Album entworfen, das mehr denn je den Hörer aufs Glatteis lockt – mit Finten, Hinterhalten und vor allem: fast erschreckend subtilen Tönen. Ein Album, das sich Zeit lässt. Alles beginnt mit rhythmisch aneinander geschlagenen Drumsticks und einer spärlichen, cleanen Gitarrenfigur. Ein repetitiver, grabestiefer Bass gesellt sich hinzu, bis Keenan schließlich – beschwörend erst, dann bedrohlich anschwellend – doch so etwas wie einen von bösen Stakkato-Riffs sowie seiner ins Falsett kippenden Stimme geprägten “The Package”-Refrain einleitet. Am ehesten reichen einem da noch die darauffolgende, von Ferne an die Progressive-Hippies Jethro Tull (!) gemahnende erste Auskopplung “Weak And Powerless” sowie das mitreißende, mächtig rollende Monument “Pet” die Hand, während “The Noose” zunächst abtaucht in weite, gleichsam unter einem Schleier begrabene Sphärenhaftigkeit. So muss es sich anfühlen, wenn man sich wie tot am Grund des Ozeans entlang treiben lässt. Nach dem Drum-Einstieg öffnen sich kurz Schleusen und Tore; dann Stille. “Blue” wandelt auf solidem Groove klar wie Morgentau, doch der Text scheint rätselhaft: “Best to keep things in the shallow end/ cause I never quite known how to swim”, verrät Keenan, und man will gar nicht so genau wissen, worauf der Mann da anspielt. Denn Geheimnis ist Gewürz auf dieser Baustelle. Vieles auf “Thirteenth Step” besitzt gleichsam cineastische Qualität, bleibt als Song jedoch im Unwägbaren – etwa, wenn sich im Zuge des verwunschenen Ruhepols “A Stranger” surreale Geigen im Äther versenden, während kristallines, fast traditionelles Akustik-Picking die Basis legt. Noch weiter geht diesbezüglich bloß die märchenhaft-somnambule, im Streicher-Nebel verharrende Failure-Cover-Großtat “The Nurse Who Loved Me”, wo Keenan als Vokalist völlig neue Wege beschreitet. Eine morbide Reise, die nur verstehen kann, wer auf konventionelle Schemata pfeift – und die nur im Ganzen genossen wirklich verzaubert. Dann allerdings macht sie dich früher oder später süchtig.
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